Der Club der unsichtbaren Gelehrten
dabei gewesen. Hat es dir gefallen?«
Nutts Gesicht hellte sich auf. »Ja. Es war herrlich. Der Lärm, die Menschenmassen, die Gesänge, ach, die Gesänge! Das wird einem zur zweiten Natur! Diese Gemeinschaft! Nicht mehr allein sein! Nicht mehr nur einer zu sein, sondern ein großes Ganzes, das ein Ziel und einen Zweck hat! Entschuldigung.« Er hatte ihr Gesicht gesehen.
»Dann hat es dir gefallen«, sagte Glenda. Die Intensität seines Ausbruchs war ihr vorgekommen, als hätte sie eine Ofentür aufgerissen. Zum Glück hatte sie sich nicht die Haare versengt.
»Aber ja! Das Ambiente war einfach köstlich!«
»Das habe ich nicht versucht«, sagte Glenda unsicher, »aber das Erbspüree ist eigentlich immer gut.«
Das Klappern von Geschirr und das Klingeln eines Teelöffels kündigte das Nahen von Juliet an, oder besser gesagt, das der Tasse Tee, die sie vor sich hielt, als wäre sie der Heilige Gral, sodass sie hinter der Tasse herschwebte wie ein Kometenschweif. Glenda war beeindruckt. Der Tee befand sich noch in der Tasse und nicht auf dem Unterteller, außerdem besaß er die annehmbare braune Farbe, die man normalerweise mit Tee in Verbindung bringt und die für gewöhnlich die einzige teeähnliche Eigenschaft des Tees war, den Juliet zubereitete.
Trev setzte sich auf, und Glenda fragte sich, wie lange er wohl schon zugehört hatte. Na gut, er war ganz brauchbar, wenn mal Not am Mann war, und wenigstens wusch er sich ab und zu und besaß auch eine Zahnbürste, aber Juliet war etwas Besonders, etwas ganz Besonderes. Für sie kam nur ein Prinz in Frage. Konkret wäre das Lord Vetinari, aber der war viel zu alt. Abgesehen davon wusste niemand genau, auf welcher Seite des Bettes er morgens aufstand oder ob er überhaupt zu Bett ging. Aber eines schönen Tages würde ein Prinz daherkommen, und wenn Glenda ihn an einer Kette herbeischleifen müsste.
Sie drehte den Kopf. Nutt musterte sie schon wieder so eindringlich. Na schön, ihr Buch war jedenfalls fest zugeklappt. Ihre Seiten würde niemand durchblättern. Und morgen würde sie in Erfahrung bringen, was die Zauberer im Schilde führten. Das war einfach. Sie würde unsichtbar sein.
In der Stille der Nacht saß Nutt an seinem eigenen Platz, der sich in einem weiteren Raum befand, sehr nah beim Kerzengewölbe. Kerzen brannten auf einem von irgendwo geborgenen Tisch, und Nutt starrte auf ein Stück Papier und bohrte sich geistesabwesend mit der Bleistiftspitze im Ohr.
Eigentlich war Nutt ein Experte für Liebesgedichte aus allen Zeiten und hatte sie lang und breit mit Fräulein Heilstetter, der Schlossbibliothekarin, besprochen. Er hatte auch versucht, derlei mit Ihrer Ladyschaft zu diskutieren, aber die hatte nur gelacht und sie als Frivolitäten bezeichnet, wenn auch recht hilfreich als Anleitung beim Erlernen von Vokabular, Skandierung, Rhythmus und emotionaler Wirkung, als Mittel zum Zweck, um eine junge Dame dazu zu verleiten, alle ihre Kleider auszuziehen. Damals hatte Nutt nicht genau verstanden, was sie damit gemeint hatte. Es hatte sich wie ein besonderes Zauberkunststück angehört.
Er klopfte mit dem Bleistift auf das Blatt. Die Schlossbibliothek war voll mit Lyrik gewesen, und er hatte die Bände so gierig in sich aufgesogen wie alle anderen Bücher, ohne zu wissen, warum sie geschrieben wurden oder was sie eigentlich bezwecken sollten. Im Allgemeinen folgten Gedichte, die von Männern an Frauen geschrieben waren, einem ziemlich einheitlichen Muster. Jetzt allerdings fehlten ihm, obwohl er sich aus der vortrefflichsten Poesie der Welt bedienen konnte, die Worte.
Dann nickte er vor sich hin. Ganz recht, Robert Scandals berühmtes Gedicht »Hey! An seine schwerhörige Geliebte«. Das hatte eindeutig den richtigen Zuschnitt und das richtige Tempo. Natürlich brauchte er noch so etwas wie eine Muse. Jawohl, jede wahre Dichtkunst bedurfte einer Muse. Das könnte sich als Problem erweisen. Juliet, obwohl doch recht attraktiv, war in seiner Vorstellung allerdings auch so etwas wie ein freundlicher Geist. Hmm. Ah, natürlich …
Nutt zog den Stift aus dem Ohr, zögerte kurz und fing an zu schreiben:
Nein, von der Liebe sing ich nicht, ist sie doch blind,
der Güte Muse preise ich anstatt …
Um Mitternacht kam Glenda zu dem Schluss, dass sie die Jungs jetzt allein lassen konnte, damit sie tun konnten, was auch immer Jungs tun, wenn keine Frauen mehr da waren, um auf sie aufzupassen, und sorgte dafür, dass sie und Juliet den letzten Nachtbus
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