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Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Titel: Der Club der unsichtbaren Gelehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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anderes als Sherry, aber den trinken alle Zwergendamen nun mal gern. Sie trinken nicht gerne große Mengen.«
    »Müssen wir das bezahlen?«, fragte Glenda irritiert.
    »Das ist gratis«, antwortete das Mädchen, zeigte auf eine Schale mit schwarzen Dingern auf dem Tablett, die jeweils von einem Cocktailspieß durchbohrt waren, und sagte ein wenig hoffnungslos: »Und versuchen Sie auch mal eine Rattenfrucht.«
    Ehe Glenda sie davon abhalten konnte, hatte Juliet sich auch schon eine davon genommen und kaute begeistert darauf herum. »Welcher Teil der Ratte ist denn ihre Frucht?«, erkundigte sich Glenda. Das Mädchen mit dem Tablett schaute sie nicht direkt an.
    »Na ja, Sie kennen doch Shepherd’s Pie?«, sagte sie.
    »Ich kenne zwölf verschiedene Rezepte«, sagte Glenda ungewohnt selbstgefällig. Dabei war es gelogen. Sie mochte wohl an die vier Rezepte kennen, weil man mit Fleisch und Kartoffeln nicht allzu viel anstellen konnte, aber die metallisch schimmernde Vornehmheit des Ladens ging ihr auf die Nerven, und sie hatte das Bedürfnis, sich einfach ein bisschen aufzuwerten. Dann dämmerte es ihr. »Ach, Sie meinen die traditionelle Shepherd’s Pie?«, sagte sie. »Die aus einem …«
    »So ist es leider«, sagte das Mädchen, »aber bei den Damen sind sie sehr beliebt.«
    »Iss bloß keine mehr, Jools«, sagte Glenda rasch.
    »Schmeckt ziemlich gut«, sagte Juliet. »Darf ich noch eine haben?«
    »Aber nur noch eine«, sagte Glenda. »Auf einem Bein kann die Ratte ja nicht stehen.« Sie nahm sich einen Sherry, und das Mädchen, das drei verschiedene Sachen in zwei verschiedenen Händen balancierte, reichte ihr vorsichtig eine Hochglanzbroschüre.
    Glenda blätterte sie durch und wusste, dass sie ihr erster Eindruck nicht getäuscht hatte. Der Laden war so teuer, dass sie einem nicht einmal den Preis von jedem Artikel verrieten. Wenn kein Preis dranstand, konnte man immer sicher sein, dass es teuer war. Es war sinnlos, sich weiter umzusehen, hier drinnen saugten sie einem den Monatslohn aus den Augenhöhlen. Gratisgetränke? Ja, klar.
    Da sie nichts anderes zu tun hatte, ließ sie den Blick über die anderen Anwesenden schweifen. Alle Zwerge hatten Barte, das gehörte dazu, wenn man ein Zwerg war. Immerhin waren die Barte hier ein bisschen gepflegter, als man es sonst so in der Stadt sah, einige Gäste hatten sogar mit Dauerwellen und Pferdeschwänzen experimentiert. Hier und da waren zwar Spitzhacken zu sehen, aber immerhin steckten sie in teuer verzierten Halterungen, als rechneten ihre Besitzerinnen damit, dass sie unterwegs zu den Läden irgendwo ein vielversprechendes Kohlenflöz erblicken und dann nicht an sich halten könnten.
    Sie teilte diesen Gedanken Juliet mit, die auf die Füße einer anderen gut besohlten Kundin zeigte und sagte: »Was? Und diese wunderschönen Stiefel dreckig machen? Das sind echte Snaky Spalthelms! Vierhundert Dollar das Paar, und man muss sechs Monate drauf warten!«
    Glenda konnte das Gesicht der Stiefelbesitzerin nicht sehen, aber sie registrierte die Veränderung in ihrer Haltung. Obwohl sie ihr den Rücken zudrehte, nahm Glenda ein gewisses stolzes Spreizen wahr. Auch gut, dachte sie, wenn man schon das Jahreseinkommen einer Arbeiterfamilie für ein Paar Stiefel ausgibt, freut man sich wahrscheinlich schon darüber, dass es jemandem auffällt.
    Wenn man andere Leute beobachtet, vergisst man schnell, dass man von anderen Leuten ebenfalls beobachtet wird. Glenda war nicht sehr groß, das hieß, dass aus ihrer Perspektive Zwerge nicht besonders klein waren. Jetzt sah sie, dass zwei Zwerge sich ihnen sehr entschlossen näherten; einer von ihnen war ziemlich umfangreich um die Hüfte und trug einen Brustharnisch, dessen Metall so vollendet getrieben und so kunstvoll verziert war, dass es an künstlerischen Vandalismus gegrenzt hätte, mit ihm in die Schlacht zu ziehen. Er – man durfte nicht vergessen, dass alle Zwerge männlich waren, es sei denn, sie behaupteten das Gegenteil – hatte beim Sprechen eine Stimme, die sich wie die dunkelste und teuerste Sorte dunkler Schokolade anhörte, womöglich sogar geräuchert. Und die Hand, die er ihnen entgegenstreckte, war an jedem Finger mit so vielen Ringen versehen, dass man noch einmal hinschauen musste, um zu erkennen, dass er keinen Handschuh trug. Und er war eine sie, da war sich Glenda sicher: Die Schokolade war einfach zu üppig und fruchtig.
    »Ich freue mich sehr, dass Sie kommen konnten, meine Lieben«, sagte sie, und die

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