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Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Titel: Der Club der unsichtbaren Gelehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Schokolade strudelte sämig. »Ich bin Madame Sharn. Mir ist soeben der Gedanke gekommen, ob Sie mir vielleicht behilflich sein könnten? Eigentlich würde ich nicht wagen, darum zu bitten, aber ich stecke gerade, wie Sie es ausdrücken würden, in einer ziemlichen Klemme.«
    Die Worte waren, zu Glendas Verdruss, an Juliet gerichtet, die immer noch Rattenfrucht knabberte, als wäre heute der letzte Tag der Welt, was für die Ratte vermutlich sogar zutraf. Juliet kicherte.
    »Sie gehört zu mir«, sagte Glenda und fügte ohne es zu wollen noch an: »Madame?«
    Madame wedelte mit der anderen Hand, an der noch mehr Ringe funkelten. »Dieser Salon ist eigentlich eine Mine, und das bedeutet, dass laut Zwergenrecht ich der König der Mine bin, und in meiner Mine zählen meine Regeln. Da ich der König bin, erkläre ich mich hiermit zur Königin«, sagte sie. »Das Zwergengesetz verbiegt sich und knarrt, aber es wird nicht gebrochen.«
    »Na denn«, fing Glenda an, »wir … He!«
    Letzteres galt Madames kleinerem Begleiter, der tatsächlich ein Bandmaß an Juliet hielt. »Das ist Pepe«, sagte Madame.
    »Wenn er sich derlei Freiheiten herausnimmt, hoffe ich doch sehr, dass er eine Frau ist«, sagte Glenda.
    »Pepe ist … Pepe«, erwiderte Madame in aller Ruhe. »Und man kann ihn – oder sie – nicht verändern. Ach, solche Etiketten sind doch so was von unsinnig.«
    »Besonders die in Ihrem Geschäft, wenn Sie nicht mal die Preise draufschreiben«, sagte Glenda aus bloßer Nervosität.
    »Ach, das ist Ihnen aufgefallen?«, sagte Madame mit einem entwaffnenden Zwinkern, das einen beinahe schmelzen ließ.
    Pepe blickte begeistert zu Madame auf, die fortfuhr: »Ich frage mich gerade, ob Sie … ob Sie beide mich vielleicht nach hinten begleiten würden? Die Angelegenheit ist ein wenig delikat.«
    »Uuuh, aber ja doch«, sagte Juliet sofort.
    Wie aus dem Nichts tauchten in der Menge plötzlich andere Menschenmädchen auf und machten behutsam einen Weg in den hinteren Teil des gewaltigen Raumes frei, durch den Madame wie durch unsichtbare Kräfte angetrieben wandelte.
    Glenda hatte das Gefühl, dass ihr die Situation ganz plötzlich entglitt, aber der Sherry war ordentlich eingeschenkt gewesen, und jetzt flüsterte er ihr zu: »Warum nicht auch mal eine Situation entgleiten lassen? Wenigstens ab und zu? Oder wenigstens dieses eine Mal?« Sie hatte keine Ahnung, was sie hinter der vergoldeten Tür am anderen Ende erwartete, aber ganz bestimmt hatte sie nicht mit Rauch und Flammen gerechnet und dass jemand aus einer Ecke schrie und aus einer anderen Ecke jemand laut kreischte. Es sah aus wie in einer Schmiede, in der eine Horde Geisteskranker das Kommando übernommen hatte.
    »Folgen Sie mir. Lassen Sie sich nicht davon stören«, sagte Madame. »So geht es bei einer Modenschau hier immer zu. Die Nerven, Sie verstehen. In dieser Branche sind alle natürlich sehr zart besaitet, dazu kommt noch dieses Problem mit der Mikro-Kette. Der Stoff ist ganz neu, wissen Sie? Laut Zwergenrecht muss er Glied für Glied gekennzeichnet sein, aber das wäre nicht nur ein Sakrileg, sondern auch verflixt umständlich.«
    Hinter den Kulissen schien Madame ein bisschen weniger schokoladig und ein bisschen diesseitiger zu werden.
    »Mikro-Kette!«, rief Juliet, als hätte man ihr die Pforte zum Wohlstand gezeigt.
    »Wissen Sie denn, worum es sich dabei handelt?«, fragte Madame.
    »Sie redet von nichts anderem«, sagte Glenda. »Immerzu und immerzu.«
    »Selbstverständlich, es ist ja auch ein herrlicher Stoff«, meinte Madame. »Fast so weich wie richtiger Stoff, und auf jeden Fall besser als Leder …«
    »… und er scheuert nicht«, fiel ihr Juliet ins Wort.
    »Was für den eher konservativen Zwerg immer eine Option ist, denn der trägt nicht gerne Stoffe«, sagte Madame. »Ach, wie uns diese alten Stammessitten doch immer wieder gefangen halten, immer wieder zurückziehen. Da haben wir uns gerade aus den Minen herausgegraben, aber irgendwie ziehen wir immer ein bisschen Mine hinter uns her. Wenn es nach mir ginge, würde Seide sofort als Metall eingestuft. Darf ich fragen, wie Sie heißen, junges Fräulein?«
    »Juliet«, antwortete Glenda automatisch und lief dann rot an. Das war Bevormundung, ganz klar. Fast so schlimm, als spuckte man in sein Taschentuch und wischte jemandem den Mundwinkel sauber. Die junge Dame mit den Getränken war ihnen gefolgt und nutzte diesen Moment dazu, Glenda das leere Sherry-Glas abzunehmen und es durch ein

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