Der Code des Luzifer
könntest.«
In Max’ Kopf drehte sich alles. Das Fieber hatte ihn gepackt.
Fauvres Männer hatten sich umgewandt und standen bereit, ihm aufs Wort zu gehorchen. Aladfar brüllte und die Vibration setzte sich durch die trockene, heiße Luft fort. Ein Knurren entblößte das Maul der Wildkatze – dieses Kinn konnte Knochen brechen, diese Zähne konnten Fleisch zerfetzen. Nervös blickte Max nach unten. Ihn über den Rand zu werfen, wäre ganz einfach. Der Tiger hätte ihn binnen Sekunden getötet.
Fauvre starrte Max durchdringend an. »Du hast mich bereits von meiner Schuld freigesprochen. Also, warum sollte ich meinen Freund nicht rächen und die Natur ganz einfach ihren Lauf nehmen lassen?«
19
I n der Bibel wurde Daniel in die Löwengrube geworfen und beruhigte die Tiere durch seinen Glauben. Angelo Farentino hatte diese Geschichte als Kind zwar erzählt bekommen, aber jedes Mal, wenn seine Mutter mit ihm in den Zoo ging und er sich diese grausamen Tiere ansah, war er im Innersten davon überzeugt, dass er in ihrem Bauch landen würde. Er malte sich dann gern aus, dass seine Mutter vor Kummer sterben würde, weil die Löwen ihn gefressen hatten. Doch wenn er an den Stock dachte, mit dem seine Mutter ihn immer geschlagen hatte, wusste er wieder, dass sie eigentlich gestorben war, weil sie sich dafür so schämte. Ihr Sohn war gefressen worden, weil es ihm an Glauben fehlte!
Zum Glück musste Farentino sich diesem Test nie unterziehen. Und seine Mutter war jetzt eine alte Frau, die vor ihrem Haus in dem italienischen Dorf saß, wo sie geboren war und immer noch lebte, und schrie streunende Hunde an. Außerdem beschwerte sie sich dauernd bei den Nachbarn darüber, dass ihr Sohn sie im Stich gelassen habe. Dann jammerten alle – die Kinder von heute, was macht man nur mit denen? –, schüttelten den Kopf und spuckten zum Zeichen ihrer Missbilligung.
Das war Farentino egal. Er mochte seine Mutter nicht. Von Anfang an nicht. Sohnesliebe, so eine Pflicht erkannte er nicht an. Er hatte es als erfolgreicher Verleger zu einem bescheidenen Auskommen gebracht, hatte sein Geld für Immobilien ausgegebenund war zu Wohlstand gelangt. Und er hatte seinen eigenen Glauben – an sich selbst und das, was er erreichen konnte. Er hatte manch Gutes getan. Er war ein guter Mensch gewesen. Betonung auf gewesen.
Jahrelang hatte er Umweltschützern geholfen und dabei gestrahlt wie ein Engel. Schließlich stand er auf der richtigen Seite. Er schützte das fragile ökologische Gleichgewicht der Erde. Wissenschaftler erkannten die Bedeutung seines Verlags an. Und diejenigen, die sich um den Zustand der Welt sorgten, scharten sich um ihn und schrieben darüber, wie dieser schöne Planet von skrupellosen Räubern geschunden wurde, die nur an Macht und Profit interessiert und manchmal sogar echte Wahnsinnige waren.
Und dann war auf einmal Schluss mit dem Gutsein.
Er hatte Geld von der anderen Seite angenommen. Jetzt fuhr er einen Ferrari, besaß eine Villa am Genfer See, Häuser an den abgeschiedensten Plätzen der Welt und – das war besonders kostbar – Anonymität. Falsche Identitäten wurden gekauft, und er konnte seinen Reichtum genießen. Er war in Sicherheit gewesen. Bis Fedir Tischenko ihn gerufen hatte. Jetzt trat Angelo Farentino in die Löwengrube.
Und Max Gordons Vater war der Löwe.
Die Frau an der Rezeption im St. Christopher’s griff zum Telefon und bat ihn lächelnd, kurz zu warten. Farentino wartete, die Nerven angespannt. Er versuchte sich zu beruhigen. Keine Viertelstunde nach seiner Unterhaltung mit Tom Gordon würde er wieder in sein Auto steigen, in die Schweiz zurückfahren, dem Mann berichten, der ihm gedroht hatte, er werde ihn vor seinen Feinden bloßstellen, und dann wieder in die Anonymität abtauchen. Wen interessierte schon, was sein Besuch bei TomGordon anrichten konnte oder ob Tischenko den jungen Gordon ins Visier nahm? Das Wunderbare an der Bestechlichkeit ist, dass man dabei alle Schuldgefühle verliert. Man ist bösartig und weiß das auch. Man hat keine Moral und schert sich nicht darum. Man bereitet anderen Kummer und Leid und verschließt die Augen davor. Man entschied sich halt für einen bestimmten Lebensstil, dachte Farentino.
»Mister Aldo, kommen Sie bitte? Hier entlang.«
Farentino brauchte einen Augenblick, bis er auf den Namen reagierte, mit dem er eben angesprochen worden war. Ein großer, kräftiger Mann stand in der Tür.
»Ich bin Marty Kiernan. Ich arbeite in Mister
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