Der Code des Luzifer
Plane, die ihn vor der Hitze schützte, und trank aus einem großen Glas, in dem Pfefferminzzweige zwischen zerstoßenem Eis steckten. Er hatte eine Kühltasche neben sich stehen.
»Bravo! Bravo! Ma petite princesse! Encore!«, rief er und klatschte in die Hände.
Max hob eine Hand vor die Augen. Eine Staubwolke zeigte ihm, wo er hinschauen musste, als ein Schatten, eben noch nicht unterscheidbar von der dahinterliegenden Mauer, sich plötzlich zu regen begann. Es war Sophie. Sie sah aus wie eine Marathonläuferin in knappen Shorts, Tanktop und Laufschuhen. Erde und Sand klebten an ihrem verschwitzten Rücken – anscheinend trainierte sie schon eine ganze Weile. Sie trat an ein Ölfass, sprang auf einen alten Eselskarren, machte einen Salto in der Luft und rannte wild entschlossen auf eine Rostlaube von Auto zu. Max hörte sie stöhnen vor Anstrengung, als sie sich mit dem ganzen Körper über die Motorhaube warf, sich scheinbar gegen einen Stapel von Gerüstmaterial fallen lassen wollte, dann aber abdrehte, mit beiden Händen nach den Stangen griff und sich, ihren Schwung ausnutzend wie eine Turnerin, daran nach oben zog und einen Stahlträger packte. Wie ein Affe kletterte sie hinauf, Füße und Hände um den Träger gekrallt.
Zehn Meter weiter oben endete der Stahlträger. Ohne zu zögern, machte Sophie einen Salto in der Luft, und erst da sah Max, dass unter ihr ein kleiner Erdhügel lag. Nach fünf Meternlandete Sophie auf den Beinen, sauste wieder los und rannte nach unten.
Unten angekommen, beugte sie sich nach vorn, die Hände auf den Knien, und pumpte sich die Lunge voll Luft. Schweiß lief ihr übers Gesicht und tröpfelte in den Sand. Max hatte die Augen nicht von ihr gelassen. Sophies schmale Gestalt ließ nichts von ihrer Kraft und ihrem Können ahnen. Fauvre sah ihn von der Seite an.
»Die jungen Frauen von heute sind so unabhängig. Halte dich von ihnen fern, das rate ich dir. Sie können dir großen Kummer bereiten.«
Wollte Fauvre ihn warnen? Max sagen, er solle sich von seiner Tochter fernhalten? Max wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Fauvre.
Max nickte.
»Dann fahr. Dort rüber.« Etwas Schneidendes lag in seiner Stimme.
Vielleicht, dachte Max, hatte der Mann auch eine dunklere Seite.
Max riss das Lenkrad herum. Er bereute jetzt, dass er nicht ehrlich gewesen war und Fauvre gesagt hatte, dass er sich zu krank fühlte, um auf Besichtigungstour zu gehen. Aber dann hätte er die unglaubliche Vorstellung verpasst, die Sophie gerade gegeben hatte.
Sie fuhren auf ein eingehegtes Gelände zu. Fauvre zeigte ihm verschiedene Höhlen und Gruben. Das Thema Tochter war jetzt abgelöst von seinem Lieblingsthema – seiner Liebe zu den Tieren.
»Die Jäger und Sammler sind besonders hinter den Großkatzen her. Wir retten viele davon und wildern sie auf der ganzenWelt wieder aus. Ich hab hier schon Servale gehabt, Ozelots, Tiger, Geparden, Jaguare, Leoparden, aber auch Bären – die werden von den Gangstern, die sie verkaufen, sogar mit Vorliebe gefangen. Ich erzähle dir jetzt etwas, das nicht viele Leute wissen. Ein europäischer Monarch hat einem russischen Bauern einmal ein Vermögen dafür bezahlt, dass er den Dorfbären abschießen durfte, das ist erst ein paar Jahre her. Dieser Bär trank sehr gern Bier, lag dann auf dem Dorfplatz und schlief wie ein alter Mann. Und eines Tages kam dieser König, diese hochgestellte, mächtige Person, angefahren und erschoss ihn, einfach so. Er brauchte für seine Trophäensammlung eben noch einen Bären.«
Fauvre schloss für einen Augenblick die Augen, so als ob sich die Bilder in seinem Kopf ganz tief in seinem Herzen verankert hätten.
Max musste gleich an den Braunbär zurückdenken, der ihn auf dem Berg angegriffen hatte. Mit Ehrfurcht und Respekt erinnerte er sich an die Kraft und Wildheit dieses Tieres. Mehr noch – er spürte förmlich eine gewisse Affinität, war sich total im Klaren darüber, was ein solches Bärenleben bedeutete. Gerüche sind ein wunderbares Hilfsmittel beim Erinnern, und Max konnte fast noch den nassen Fellgeruch in seiner Kehle schmecken.
Fauvre seufzte. »Die Chinesen foltern Bären, wusstest du das? Sie halten sie in Bambuskäfigen, auf so engem Raum, dass sie sich nicht einmal umdrehen können. Barbarisch. Sie verwenden die Gallenblasen der Bären zu medizinischen Zwecken. Und wir nennen uns allen Ernstes die höchst entwickelte Spezies«, murmelte er zum Schluss.
Max sah
Weitere Kostenlose Bücher