Der Code des Luzifer
dem Mann aufmerksam ins Gesicht. Es war verzerrt vor Empörung.
»Ich hab also diesen Platz hier gefunden. Hat mich zehn Jahre meines Lebens gekostet, ihn so zu gestalten, wie er heute ist.«
Max wusste nicht, wie aufdringlich er mit seinen Fragen sein durfte, aber wenn er bei diesem eigensinnigen Mann nicht ein bisschen penetranter wurde, würde er der Lösung von Zabalas Rätsel keinen Schritt näher kommen.
»Sitzen Sie schon immer im Rollstuhl?«, wandte er deshalb beherzt ein.
Die Frage trug Max einen scharfen Blick Fauvres ein. »Nein. Das verdanke ich einem Tiger. Meinem Lieblingstiger. Er heißt Aladfar. «
»Klingt arabisch«, sagte Max.
Fauvre nickte. »Das ist der Name eines Sterns. Er bedeutet Klaue . Aus der arabischen Astronomie. Kennst du dich mit Astronomie aus?«
Die Frage war für Max so, als bekäme er eine Spritze direkt in die Brust. Ein scharfer Schmerz, der ihn siedend heiß an seine Aufgabe erinnerte – die fehlenden Teile von Zabalas Rätsel zu finden. Und seinen Mörder.
Fauvre spielte also Spielchen mit ihm.
»Ich lese ein bisschen nebenbei«, sagte Max betont lässig. »Wie kam es denn zu dem Unfall?«
Fauvre ließ Max die ausweichende Frage durchgehen. »Er ist der vollkommene Tiger. Drei Meter lang, dreihundert Kilo schwer. Eines Tages beschloss er, mir zu zeigen, wer hier das Sagen hat. Er spielte mit mir wie eine Katze mit der Maus. Er warf mich um und stellte die Pfote auf meinen Rücken. Er hat mir das Rückgrat gebrochen.«
»Wurde er erschossen?«
»Aladfar!? Ich hätte den Mann eigenhändig getötet, der ihmauch nur ein Haar gekrümmt hätte. Aladfar ist großartig – und jetzt verstehen wir uns wieder.«
Max nahm an, dass es sich bei Aladfar um den mächtigen Tiger handelte, den er bei seiner Ankunft in der Siedlung als Erstes gesehen hatte. Und anscheinend führte Fauvre ihn jetzt auch zu der Grube, in der das Tier lebte.
Wo war der Zusammenhang, nach dem Max suchte? Wann war Fauvre das erste Mal mit Zabala in Kontakt gekommen?
»War das die Zeit, als Sie mit Ihrer Familie hierhergekommen sind?«, fragte Max.
»Meine Tiere hier sind meine Familie«, erwiderte Fauvre ohne Emotion.
Die Offenheit dieser Antwort ließ Max verstummen. Dazu konnte man nicht mehr viel sagen. Kein Wunder, dass Sophie sich bei ihrem Vater fremd vorkam.
Auf Fauvres Handzeichen hin hielt Max an einem ummauerten Krater an. Zwei Männer standen neben einem Handkarren und luden einen mit altem Gemüse und Obst beladenen Korb ab.
Fauvre sagte etwas auf Arabisch zu ihnen und sie hielten inne. »Schau mal hinein«, sagte Fauvre und lehnte sich über das niedrige Geländer.
Das Fieber hatte Max so benommen gemacht, dass seine Beine zitterten. Er brauchte Schatten und Wasser, aber er wollte sich Fauvre gegenüber keine Schwäche anmerken lassen. Blinzelnd befreite er seine Wimpern von den Schweißtropfen und beugte sich vorsichtig vornüber. Die Wände des Kraters gingen fast senkrecht nach unten. Er sah aus wie die anderen Tiergruben auch. So, dachte Max, lebten vielleicht Bären, die in Gefangenschaft gehalten wurden. Jede Menge Platz, natürliches Wasser, ein Unterschlupf und Wärter, die ihnen Futter brachten.Doch für den Augenblick sah er nur die Mauer auf der anderen Seite des Kraters, an der Gitterstäbe diese Grube von der nächsten trennten.
Der untere Teil der Mauer war ersetzt oder repariert worden und die Stangen verliefen dort über eine Länge von zwei, drei Metern. Max dämmerte, wo er sich befand: auf der anderen Seite der Tigergrube. Jenseits des Gitters lief der massige, hungrig aussehende Tiger hin und her und wollte das haben, was sich in dem Krater unterhalb von Max befand.
Und dann sah Max eine Bewegung vor der dunklen Mauerseite direkt unter sich, wohin das Sonnenlicht noch nicht gefallen war. Zwei Männer traten hervor und hoben flehend die Hände. Sie sahen schwach und ungepflegt aus. Wie lange mochten sie schon in der Grube stecken?
Max sah Fauvre an. Die ungerührte Miene machte ihm für einen Augenblick richtig Angst.
»Warum tun Sie das? Wer sind diese Männer?«
»Die sind hierhergekommen, um zu stehlen. Ich habe Kleintiere, die sind ein Vermögen wert. Diese Kreaturen dachten, sie kämen damit durch.«
»Sie wollen sie an den Tiger verfüttern?«, fragte Max ungläubig.
» Die glauben, sie sollen an Aladfar verfüttert werden. Wenn ich sie wieder freilasse, kriechen sie unter den Stein zurück, unter dem sie hervorgekrochen sind, und sagen den anderen,
Weitere Kostenlose Bücher