Der Codex
letzten Monat seines Lebens mit seinem ältesten Sohn wohl unterhalten hatte.
»Vater hat Leute eingestellt, die all das für ihn erledigten. Vater hatte einen Gärtner, einen Koch, eine Dame, die das Haus sauber gemacht hat. Andere Menschen haben das Dach repariert. Er hatte auch eine Krankenschwester. In Amerika kauft man, was man braucht.«
»Das meint er nicht«, sagte Vernon. »Er möchte wissen, was wir für Vater getan haben, als er krank war.« Tom merkte, wie er errötete.
»Was ihr tun, wenn er krank mit Krebs? Ihr gehen zu sein Haus? Wohnt bei ihm?«
»Borabay«, sagte Philip mit schriller Stimme, »es wäre völlig sinnlos gewesen, uns dem alten Mann aufzudrängen. Er hätte uns nicht um sich haben wollen.«
»Ihr lassen Fremde Vater pflegen, wenn krank?«
»Ich lass mir weder von dir noch von jemand anderem vorschreiben, was die Pflichten eines Sohnes sind«, schrie Philip plötzlich.
»Ich nicht vorschreiben. Ich stellen einfache Frage.«
»Die Antwort ist: Ja. Wir haben Vater von einer Fremden pflegen lassen. Er hat uns, als wir klein waren, das Leben vermiest. Wir konnten es nicht erwarten, von ihm weg zu kommen. Das passiert, wenn man ein schlechter Vater ist - die Söhne verlassen einen. Sie laufen weg, sie fliehen. Sie können es nicht erwarten, fortzugehen.«
Borabay stand auf. »Er dein Vater, ob gut oder schlecht. Er dich ernähren, er dich beschützen, er dich aufziehen. Er dich machen.«
Philip stand ebenfalls auf. Er war sichtlich wütend. »So nennst du das scheußliche Verspritzen von Körperflüssi g keit? Uns machen? Wir waren Unfälle - jeder Einzelne. Was ist das für ein Vater, der den Müttern ihre Kinder we g nimmt? Was ist das für ein Vater, der uns aufzieht, als handle es sich um ein Experiment zur Erschaffung von G e nies? Wer hat uns in den Dschungel verschleppt, damit wir hier sterben?«
Borabays Hand schoss auf Philip zu, und zwar so schnell, dass es den Anschein hatte, als verschwände Philip rüc k wärts im Urwald. Borabay stand da, ein Meter sechzig b e malte Wut. Er hatte die Fäuste geballt. Philip setzte sich hinter dem Feuer im Staub aufrecht hin und hustete. »Äh ...« Er spuckte aus. Seine Lippe war blutig und schwoll rasch an.
Borabay musterte ihn schwer atmend.
Philip wischte sein Gesicht ab, dann verzog er es zu einem Lächeln. »Nun ja ... Der älteste Bruder hat seinen Platz in der Familie endlich geltend gemacht.«
»Du nicht so über Vater sprechen!«
»Ich spreche über ihn, wie ich will. Und kein gewalttät i ger, analphabetischer Wilder wird mich dazu bringen, me i ne Ansichten zu ändern!«
Borabay ballte zwar die Fäuste, machte aber keine Anstalten, noch einmal auf Philip loszugehen.
Vernon half Philip beim Aufstehen. Philip tupfte seine Lippe ab. Seine Miene wirkte triumphierend. Borabay stand nun unsicher da; offenbar wurde ihm bewusst, dass er e i nen Fehler gemacht hatte. Indem er seinen Bruder geschl a gen hatte, hatte er die Auseinandersetzung verloren.
»Okay«, sagte Sally. »Genug über Maxwell Broadbent geredet. Wir können uns in Zeiten wie diesen keinen Streit leisten. Das ist euch doch wohl allen klar.«
Ihr Blick fiel auf Borabay. »Sieht so aus, als wäre das Essen verbrannt.«
Borabay nahm schweigend die angekohlten Fleischspieße vom Feuer und legte sie auf Blättern aus.
Philips schroffe Bemerkung hallte in Toms Bewusstsein nach: Das passiert, wenn man ein schlechter Vater ist - die Söhne verlassen einen. Und er fragte sich: Hatten sie das wirklich getan?
55
Mike Graff ließ sich in dem Armsessel am Feuer nieder und schlug die Beine orden t lich übereinander. Seine Miene war aufmerksam und wirkte liebenswürdig. Es e r staunte Skiba, wie es ihm trotz der Lage gelang, diese nassforsche, selbs t bewusste Ausstrahlung zu bewahren. Eigentlich müsste auch Graff in Charons Boot über den Styx dem Höllentor entgegenpaddeln, doch er stellte noch immer das frische Gesicht zur Schau, das seinen Mitreisenden weismachte, der Himmel käme gleich um die nächste Ecke.
»Was kann ich für dich tun, Mike?«, fragte Skiba freundlich.
»Was ist seit den letzten beiden Tagen mit unserer Aktie los? Sie ist um zehn Pr o zent gestiegen.«
Skiba schüttelte den Kopf. Das Haus stand in Flammen, aber Graff lümmelte sich in der Küche und nörgelte über kalten Kaffee. »Freu dich doch, dass wir den Artikel über das Phloxatan im Journal überlebt haben.«
»Umso mehr Grund, sich Gedanken zu machen, warum der Preis
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