Der Codex
raufgeht.«
»Hör mal, Mike ...«
»Du hast Fenner doch letzte Woche nichts über den C o dex erzählt, Lewis?«
»Doch, schon.«
»Gütiger Gott! Du weißt doch, was dieser Typ für ein Schleimbeutel ist. Wir haben schon genug Probleme. Wir können es uns nicht leisten, uns auch noch Insiderg e schäfte anhängen zu lassen.«
Skiba schaute ihn an. Er hätte ihn längst rauswerfen so l len. Aber er hatte sie beide so kompromittiert, dass eine Entlassung nun nicht mehr in Frage kam. Was spielte es auch für eine Rolle? Es war aus - für Graff, die Firma und besonders für ihn. Am liebsten hätte er über die Irrelevanz der Sache aufgeschrien. Eine bodenlose Kluft hatte sich u n ter ihm aufgetan - sie befanden sich im freien Fall -, doch Graff hatte es noch immer nicht gespannt.
»Er wollte Lampe in die Pfanne hauen. Ich musste es tun, Mike. Fenner ist kein Blödmann. Er wird kein Wort darüber verlauten lassen. Glaubst du etwa, er riskiert es, sein Leben für ein paar nebenbei verdiente Hunderttausend wegz u werfen?«
»Soll das ein Witz sein? Der würde doch seine eigene Großmutter über den Tisch ziehen, um ein paar Kröten a u ßer der Reihe zu verdienen.«
»Fenner steckt nicht dahinter. Jetzt sind die Leerverkäufer am Zug.«
»Das erklärt aber nicht mehr als dreißig Prozent des Anstiegs.«
»Im Gegenteil. Es sind Außenseiter. Es reicht, Mike. Es reicht. Kapierst du denn nicht, was hier abgeht? Es ist aus. Lampe ist fertig. Wir sind fertig.«
Graff schaute ihn verdutzt an. »Was redest du denn da? Wir überstehen das schon. Wenn wir erst mal den Codex haben, läuft der Laden wieder wie geschmiert, Lewis.«
Skiba merkte, wie sein Blut bei der Erwähnung des Codex kalt und dickflüssig wurde. »Glaubst du wirklich, der C o dex löst unsere Probleme?«, fragte er ruhig.
»Wieso denn nicht? Ist mir irgendwas entgangen? Hat sich irgendwas verändert?«
Skiba schüttelte den Kopf. Spielte es eine Rolle? Spielte überhaupt noch irgende t was eine Rolle?
»Lewis, der Defätismus, den du ausstrahlst, ist völlig untypisch für dich. Wo ist deine berühmte Kampfkraft?«
Skiba war müde, unendlich müde. Die Auseinanderse t zung führte zu nichts. Die Sache war aus. Fertig. Reden brachte nichts mehr. Sie konnten jetzt nur noch warten. Warten auf das Ende. Sie waren machtlos.
»Wenn wir bekannt geben, dass wir den Codex haben«, fuhr Graff fort, »geht der Preis unserer Aktie durch die Decke. Nichts macht erfolgreicher als der Erfolg. Die Aktion ä re werden uns verzeihen. Und diesem Mr-Saubermann-Vorsitzenden von der SEC wird es den Wind aus den S e geln nehmen. Deswegen sorge ich mich über Insiderg e schäfte. Wenn einer jemandem was von dem Codex erzählt, der es seiner Schwiegermutter mitteilt, die dann ihren Ne f fen in Dubuque anruft ... Es würde an uns hängen bleiben. Es ist wie Steuerflucht. Das schieben sie dann uns in die Schuhe. Schau mal, was Martha passiert ist ...«
»Mike?«
»Ja?«
»Verpiss dich.«
Skiba schaltete das Licht ab, stöpselte die Telefone aus und wartete auf die Dunke l heit. Auf seinem Schreibtisch befanden sich nur drei Dinge: das Pillenfläschchen aus Kuns t stoff, der sechzig Jahre alte Macallan und ein sauberes Schnapsglas. Es war Zeit, den Abflug zu machen.
56
Am nächsten Tag verließen sie die aufgegebene Tara-Siedlung und stießen ins Vo r gebirge der Sierra Azul vor. Der durch Wälder und über Wiesen führende Pfad stieg langsam an, und sie kamen an mehreren brachliegenden Feldern vorbei, auf denen das Unkraut wucherte. Hier und da erhaschte Tom einen Blick auf im Regenwald verborg e ne, verlassene Schilfhütten, die allmählich in sich zusa m menfielen.
Dann drangen sie in einen dichten, kühlen Wald vor. B o rabay beharrte plötzlich darauf, allen voraus zu gehen. Im Gegensatz zu seinen sonst leichtfüßigen Bewegu n gen machte er diesmal allerdings Lärm: Er sang vor sich hin, drosch, obwohl es gar nicht nötig war, mit der Machete auf die Vegetation ein und legte in regelmäßigen Abständen eine »Rast« ein. Tom hatte den Eindruck, dass er in Wir k lichkeit die Lage peilte. Irgendetwas machte ihn nervös.
Als sie eine kleine Lichtung erreichten, hielt Borabay an. Er rief: »Mittagessen!«, fing laut an zu singen und packte die in Palmwedel eingeschlagenen Bündel aus.
»Wir haben doch erst vor zwei Stunden gegessen«, sagte Vernon.
»Wir noch mal Mittag essen!« Borabay nahm Pfeil und Bogen von der Schulter, und Tom registrierte, dass
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