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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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vorsichtigen Blick auf Sally. Der kühle Abendwind spielte mit ihrem Haar. Ihr Gesicht war dem Mondschein zugewandt, ihr Mund stand angesichts der atemberaubenden Aussicht vor Bewunderung und Eh r furcht ein wenig offen. Eine Hand lag auf ihrem Obe r schenkel. Ihr schlanker Leib ruhte leicht im Sattel. Gott, wie schön sie war.
    Tom verdrängte den Gedanken verärgert aus seinem B e wusstsein. Sein Leben war eigentlich genau so, wie er es sich wünschte. Es war ihm zwar nicht gelungen, Paläont o loge zu werden - dafür hatte sein Vater schon gesorgt -, a ber Tierarzt in Utah war das Zweitbeste. Warum sollte er das vermasseln? War er diesen Weg nicht schon einmal g e gangen? »Ja«, erwiderte er schließlich. »Ich lege keinen Wert darauf.«
    »Und warum nicht?«
    »Ich weiß nicht genau, ob ich es erklären kann.«
    »Versuchen Sie's.«
    »Man muss meinen Vater verstehen. Er wollte sein Leben lang alles steuern, was meine Brüder und ich machten. Er hat uns gelenkt. Er hatte Großes mit uns vor. Doch was ich auch tat - was wir auch taten -, es war ihm nie gut genug. Wir waren nie gut genug für ihn. Und jetzt das. Ich spiele sein Spiel nicht mehr mit. Mir reicht's.«
    Er hielt inne und fragte sich, warum er Sally so viel erzäh l te.
    »Fahren Sie fort«, sagte Sally.
    »Er wollte, dass ich Arzt werde. Ich wollte Paläontologe werden und nach Dinosaurierfossilien suchen. Mein Vater meinte, das sei lächerlich - infantil hat er es genannt. Wir schlossen dann den Kompromiss, dass ich Tierarzt werden sollte. Natürlich hat er erwartet, dass ich nach Kentucky gehe und Rennpferde behandle, die Millionen wert sind; dass ich vielleicht sogar in der medizinischen Forschung tätig werde, tolle Entdeckungen mache und den Namen Broadbent in die Geschichtsbücher bringe. Doch ich bin ins Navajo-Reservat gezogen. Und hier will ich bleiben, weil es mir gefällt. Die Pferde hier brauchen mich, und die Me n schen auch. Und was die Landschaft Süd-Utahs anbetrifft, so ist sie die schönste der Welt. Außerdem gibt es hier ein i ge der größten Fossilienablagerungen aus der jurassischen Periode und der Kreidezeit auf Erden. Für meinen Vater war mein Umzug in das Reservat ein unglaubliches Vers a gen und eine große Enttäuschung. Hier ist kein Geld zu verdienen. Hier kann man kein Prestige erringen. An di e sem Reservat ist nichts Prächtiges. Seiner Meinung nach ha t te ich mit meinem Tiermedizinstudium nur sein Geld ve r schwendet. Mein Umzug kam ihm wie ein Verrat vor.«
    Tom hielt inne. Jetzt hatte er wirklich zu viel erzählt.
    »Und damit hat es sich? Sie wollen das ganze Erbe einfach so sausen lassen? Und auch den Codex und alles andere?«
    »Stimmt.«
    »Einfach so?«
    »Die meisten Menschen erben ohnehin nichts. Meine Praxis läuft gar nicht schlecht. Mir gefällt mein Leben, und ich liebe dieses Land. Schauen Sie sich doch mal um. Was kann man sich mehr wünschen?«
    Tom registrierte, dass Sally nicht die Landschaft musterte, sondern ihn. Ihr Haar leuchtete leicht im silbernen Licht des Mondes. »Auf wie viel verzichten Sie, wenn ich mir diese Frage erlauben darf?«
    Tom verspürte angesichts der schieren Größe seiner Erbschaft ein leichtes Stechen, und das nicht zum ersten Mal. »Es sind mehr oder weniger hundert Millionen.«
    Sally stieß einen Pfiff aus. Dann folgte ein langes Schweigen. Irgendwo in den Canyons unter ihnen heulte ein Koj o te, dem ein Genosse Antwort gab. Dann sagte Sally: »Her r gott, Sie haben wirklich Mumm.«
    Tom zuckte die Achseln.
    »Und Ihre Brüder?«
    »Philip hat sich mit dem alten Partner meines Vaters zusammengetan, um die versteckte Grabkammer zu suchen. Soweit ich weiß, ist Vernon allein unterwegs. Warum tun Sie sich nicht mit einem von ihnen zusammen?«
    Er bemerkte, dass Sally ihn in der Finsternis ziemlich i n tensiv anschaute. Schließlich sagte sie: »Ich hab's schon versucht. Vernon ist vor einer Woche ins Ausland gereist, und auch Philip ist verschwunden. Sie sind nach Honduras g e fahren. Sie standen als Letzter auf meiner Liste.«
    Tom schüttelte den Kopf. »Nach Honduras. Da waren sie aber schnell. Wenn sie mit der Beute zurückkehren, können Sie den Codex von ihnen kriegen. Meinen Segen haben Sie jedenfalls.«
    Wieder ein langes Schweigen. »Ich kann das Risiko nicht eingehen. Ihre Brüder haben doch keine Ahnung, um was es geht - und wie viel der Codex wert ist. Da könnte alles passieren.«
    »Tut mir Leid, Sally. Ich kann Ihnen nicht helfen.«
    »Professor Clyve und

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