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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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seinem Vater war der größte Schock seines Lebens gew e sen.
    »Was sind wir Ihnen schuldig, Doktor?«, unterbrach die Großmutter seine Träumerei.
    Tom warf einen Blick auf die schäbige Teerpappenbehausung, das kaputte, halb im Unkraut vergrabene Auto und die mageren Schafe im Pferch.
    »Fünf Dollar.«
    Die Frau griff in ihre Baumwollkordbluse, entnahm ihr ein paar angeschmutzte Dollarscheine und zählte fünf ab.
    Tom hatte gerade an seinen Hut getippt und sich umgedreht, um sein Pferd zu holen, als ihm am Horizont eine kleine Staubwolke auffiel. Auch die beiden Navajos hatten sie bemerkt. Ein Pferd und ein Reiter kamen aus nördlicher Richtung schnell auf sie zu. Und zwar aus der Gegend, aus der auch Tom gekommen war. Der dunkle Fleck wurde in dem riesigen goldenen Wüstenbecken immer größer. Tom fragte sich, ob es sein Partner Shane war. Die Vorstellung alarmierte ihn. Es musste schon ein verflucht wichtiger Notfall sein, wenn Shane hier aufkreuzte, um ihn zu holen.
    Als die Gestalt Kontur annahm, sah er, dass er es nicht war. Es war eine Frau. Und sie ritt auf seinem Pferd Knock.
    Als sie in die Ansiedlung trabte, war sie durch den Ritt von Staub bedeckt. Knock schäumte und schnaubte. Die Frau hielt an und schwang sich vom Rücken des Pferdes. Sie war fast zwölf Kilometer ohne Sattel und Zaumzeug durch die einsame Wüste geritten. Welch ein Irrsinn! Wieso ritt sie überhaupt sein bestes Pferd? Hätte sie nicht einen von Shanes Kleppern nehmen können? Er würde Shane den Hals umdrehen.
    Die Frau kam auf ihn zu. »Ich bin Sally Colorado«, sagte sie. »Ich wollte Sie eigentlich in der Praxis aufsuchen, aber Ihr Partner sagte, Sie wären hier draußen. Deswegen bin ich hier.« Ihr honigblondes Haar raschelte, als sie ihm die Hand hinhielt. Tom schüttelte sie völlig verblüfft. Das Haar der Frau fiel ihr über die Schultern auf ein weißes, nun staub i ges Baumwollhemd, das an ihrer schlanken Taille in eine Jeans gestopft war. Ein leichter Pfefferminzgeruch umgab sie. Als sie lächelte, schien ihre Augenfarbe von Grün zu Blau zu wechseln. Jedenfalls erweckte es den Eindruck. Sie trug Türkisohrringe, doch die Farbe ihrer Augen war satter als die der Steine.
    Nach einer Weile fiel Tom auf, dass er ihre Hand noch immer festhielt. Er ließ sie los.
    »Ich musste Sie einfach ausfindig machen«, sagte Sally. »Ich konnte nicht warten.«
    »Ein Notfall?«
    »Jedenfalls kein tierärztlicher, wenn Sie das meinen.«
    »Um was für einen geht es dann?«
    »Das erzähle ich Ihnen auf dem Rückweg.«
    »Verdammt noch mal«, explodierte Tom. »Ich kann's nicht fassen, dass Shane es zulässt, dass Sie mein bestes Pferd ohne Sattel und Zaumzeug fast zuschanden reiten. Sie hä t ten dabei draufgehen können!«
    »Shane hat's nicht zugelassen.« Die junge Frau lächelte.
    »Wie haben Sie das Pferd dann gekriegt?«
    »Ich hab's geklaut.«
    Tom brauchte eine Weile, bis er seine Bestürzung übe r wand und zu lachen wagte.
    Als die beiden nach Norden aufbrachen, war die Sonne untergegangen. Sie ritten zusammen nach Bluff zurück. Eine Weile bewegten sie sich schweigend nebeneinander her, dann sagte Tom: »Also los, dann erzählen Sie mal, was so wichtig ist, dass Sie ein Pferd und Ihren Hals riskieren mussten.« »Tja ...« Sally zögerte.
    »Ich bin ganz Ohr, Miss ... Colorado. Falls Sie wirklich so heißen.«
    »Ich weiß, es ist ein komischer Name. Mein Urgroßvater war beim Varietee. Er hat als Indianer verkleidet eine m e dizinische Nummer aufgeführt und den Namen Colorado als Künstlername angenommen. Er ist besser als unser alter Smith. Er ist irgendwie an uns hängen geblieben. Nennen Sie mich Sally.«
    »Na schön, Sally. Erzählen Sie mir Ihre Geschichte.« Tom ertappte sich dabei, dass er ihr mit einem guten Gefühl beim Reiten zuschaute. Sie machte den Eindruck, als sei sie auf einem Pferd zur Welt gekommen. Ihre lässige aufrechte Haltung musste eine Stange Geld gekostet haben.
    »Ich bin Anthropologin«, begann Sally. »Genauer gesagt: Ich bin Ethnopharmazeutin. Ich studiere einheimische M e dizin bei Professor Julian Clyve in Yale. Er war der Mann, der vor einigen Jahren die Hieroglyphen der Mayas g e knackt hat. Eine wirklich geniale Arbeit. Es stand in allen Zeitungen.«
    »Das bezweifle ich nicht.«
    Sally hatte ein scharfes, sauber geschnittenes Profil, eine kleine Nase und eine komische Art, die Oberlippe vorzuschieben. Wenn sie lächelte, hatte sie ein Grübchen, doch nur an einer Seite des Mundes. Ihr

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