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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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druck, dass alle vernünftigen Menschen Siesta hielten.
    Am anderen Ende der Ortschaft stießen sie auf den Fluss. Er lag zwischen steilen erdigen Ufern, war etwa zweihu n dert Meter breit und hatte die Farbe von Mahagoni. Er schlängelte sich zwischen dichten Urwaldmauern dahin und roch schlammig. Das zähflüssige Wasser bewegte sich träge, an der Oberfläche kräuselten sich Strudel und Wi r bel. Hier und da trieben langsam grüne Blätter oder Zweige flussabwärts. Ein Gehweg aus Balken führte von der steilen Uferstraße nach unten und endete an einer Bambusroh r plattform, die über dem Wasser errichtet worden war und einen wackeligen Kai bildete. Vier Einbaumkanus lagen dort vertäut. Sie waren etwa zehn Meter lang, eins zwanzig breit und bestanden aus riesigen Baumstämmen, die sich zu einem lanzenähnlichen Bug verjüngten. Ihr Heck war flach abgeschnitten und mit einem Brett versehen, an dem man kleine Außenbordmotoren befestigen konnte. Vorn und hinten angebrachte Bretter dienten als Sitzfläche.
    Sie kletterten die Uferstraße hinab, um einen besseren Überblick zu gewinnen. Sally stellte fest, dass drei der Ei n bäume mit 6-PS-Evinrude-Motoren ausgerüstet waren. Das vierte war länger und schwerer und verfügte über eine 18-PS-Maschine.
    »Das ist der Renner hier!«, rief sie auf das Boot deutend. »Genau das Richtige für uns.«
    Tom schaute sich um. Die Umgebung wirkte verlassen.
    »Da ist jemand.« Sally zeigte auf eine etwa fünfzig Meter weiter am Ufer stehende, an der Seite offene Bambushütte. Neben einem Stapel leerer Blechdosen brannte ein kleines Feuer. Im Schatten zweier Bäume hatte jemand eine Hängematte aufgespannt. Ein Mann schlief darin.
    Sally ging zu ihm hin. »Hola«, sagte sie.
    Kurz darauf öffnete der Mann ein Auge. »Sí?«
    »Wir möchten mit jemandem reden, der uns ein Boot vermieten kann«, sagte sie auf Spanisch.
    Der Mann grunzte, dann murmelte er etwas, richtete sich in der Hängematte auf und kratzte sich grinsend am Kopf. »Ich sprechen gut Amerikanisch. Sprechen Amerikanisch. Irgendwann ich fahren nach Amerika.«
    »Wie schön«, sagte Tom. »Wir fahren nach Pito Solo.«
    Der Mann nickte, gähnte, kratzte sich. »Okay. Ich bringen hin.«
    »Wir möchten das große Boot mieten. Das mit dem 18-PS-Motor.«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Das doofe Boot.«
    »Ist uns egal, ob es doof ist«, sagte Tom. »Genau das wollen wir haben.«
    »Ich bringen euch in mein Boot. Doofes Boot gehört Leute von Militär.« Er streckte eine Hand aus. »Haben Bonbons?«
    Sally zückte die Tüte, die sie erst an diesem Morgen und genau zu diesem Zweck erstanden hatte.
    Das Gesicht des Mannes erhellte sich zu einem Lächeln. Er schob eine welke Hand in die Tüte hinein, kramte in den Süßigkeiten herum, wählte fünf oder sechs Bonbons aus und steckte sie sich alle auf einmal in den Mund. In seiner Wange entstand ein dicker Klumpen. »Bueno«, murmelte er.
    »Wir möchten morgen früh aufbrechen«, sagte Tom. »Wie lange dauert die Fahrt?«
    »Drei Tage.«
    »Drei Tage? Ich dachte, es sind nur sechzig oder siebzig Kilometer. «
    »Wasserstand niedrig. Laufen vielleicht auf. Muss staken. Viel waten. Kann Motor nicht einsetzen.«
    »Waten?«, fragte Tom. »Was ist mit dem Zahnstocherfisch?«
    Der Mann maß ihn mit einem leeren Blick.
    »Keine Sorge, Tom«, sagte Sally. »Sie können doch enge Unterwäsche anziehen.«
    »Ah, si! Der Candiru!« Der Mann lachte. »Lieblingsgeschichte von Gringos! Candiru. Ich schwimmen in Fluss jeden Tag und noch immer hab mein Chuc-Chuc. Funkti o niert gut!« Er spitzte lasterhaft die Lippen und zwinkerte Sally zu.
    »Verschonen Sie mich«, sagte Sally.
    »Dann ist dieser Fisch also ein Scherz?«, fragte Tom.
    »Nein, ist echt! Aber zuerst man muss pissen in Fluss. Candiru riechen Pisse in Fluss, kommen her und schmatz! Wer nicht pissen bei Schwimmen, hat kein Problem!«
    »Ist hier kürzlich jemand durchgekommen? Gringos, meine ich?«
    »Si. Wir sehr beschäftigt. Letzter Monat, weißer Mann kommt mit viele Kisten und Indianer aus Berge.«
    »Was für Indianer?«, fragte Tom aufgeregt.
    »Nackte Indianer aus Berge.« Der Mann spuckte aus.
    »Wo hatte er seine Boote her?«
    »Er bringen viele neue Einbaum aus La Ceiba.«
    »Sind die Boote zurückgekommen?«
    Der Mann lächelte, dann rieb er in einer international b e kannten Geste Daumen und Zeigefinger aneinander und streckte die Hand aus. Sally gab ihm einen Fünfer.
    »Boote nicht zurückkehren. Männer

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