Der Codex
fahren flussaufwärts, nie kommen zurück.«
»Ist sonst noch jemand hier durchgekommen?«
»Si. Letzte Woche Jesus Christus kommen mit betrunkene Führer aus Puerto Lempira.«
»Jesus Christus?«, fragte Sally.
»Sí, Jesus Christus mit langes Haar, Bart, Gewand und Sandalen.«
»Das muss Vernon gewesen sein«, sagte Tom lächelnd. »War jemand bei ihm?«
»Si, der heilige Petrus.«
Tom verdrehte die Augen.
»Sonst noch jemand?«
»Si. Dann kommen zwei Gringos mit zwölf Soldaten in zwei Einbaums - auch aus La Ceiba.«
»Wie sahen die Gringos aus?«
»Einer sehr groß, rauchen Pfeife, war wütend. Andere kleiner mit vier Goldringe.«
»Philip«, konstatierte Tom.
Sie handelten schnell eine Passage nach Pito Solo aus. Tom gab dem Mann zehn Dollar Vorschuss. »Wir brechen morgen früh auf, sobald es hell wird.«
»Bueno! Ich bereit!«
Als sie vom Fluss zu dem Klinkergebäude zurückkehrten, das sich als Hotel ausgab, stellten sie zu ihrer Überraschung fest, dass ein Jeep vor dem Haus parkte. In ihm saßen ein Militäroffizier und zwei Soldaten. In der Nähe wartete eine Ansammlung tuschelnder, drängelnder Kinder darauf, dass etwas passierte. Die Hotelbesitzerin stand vor dem Haus. Sie hatte die Hände gefaltet. Ihr Gesicht war bleich vor Furcht.
»Das gefällt mir gar nicht«, sagte Sally.
Der Offizier trat vor. Er hatte einen ganz geraden Rücken, eine makellose Uniform und trug kleine polierte Stiefel. Er verbeugte sich zackig. »Habe ich die Ehre, Señor Tom Broadbent und Señorita Sally Colorado zu begrüßen? Ich bin Leutnant Vespán.« Er ergriff nacheinander ihre Hände und trat dann zurück. Der Wind drehte, und Tom roch plötzlich eine Mischung aus Old Spice, Zigarren und Rum.
»Worum geht's denn?«, fragte Sally.
Leutnant Vespan lächelte breit und enthüllte eine silberne Zahnreihe. »Ich muss Ihnen zu meinem allergrößten Bedauern mitteilen, dass Sie unter Arrest stehen.«
17
Tom schaute den winzigen Offizier an. Ein kleiner Hund, der wohl etwas gegen einen der Soldaten hatte, kauerte sich vor den Mann und fletschte knurrend die Zähne. Der Off i zier versetzte ihm mit seinem schnieken Stiefel einen Tritt, und die Soldaten lachten.
»Wessen beschuldigt man uns?«, fragte Tom.
»Das werden wir in San Pedro Sula besprechen. Wenn Sie jetzt bitte mitkommen wollen?«
Ein unbehagliches Schweigen trat ein. »Nein«, sagte Sally.
»Machen Sie uns doch keine Schwierigkeiten, Señorita.«
»Ich mache keine Schwierigkeiten. Ich gehe einfach nicht mit. Sie können mich nicht zwingen.«
»Sally«, sagte Tom. »Muss ich darauf hinweisen, dass diese Männer Waffen haben?«
»Na gut. Dann sollen sie mich eben erschießen und das dann der amerikanischen Regierung erklären.« Sally breit e te die Arme aus, um ein besseres Ziel abzugeben.
»Ich bitte Sie, Señorita.«
Die beiden Soldaten, die zu dem Offizier gehörten, traten nervös von einem Fuß auf den anderen.
»Na los, tun Sie mir doch den Gefallen!«
Der Offizier nickte den Soldaten zu. Die Männer senkten ihre Waffen, traten zackig vor und packten Sally. Sally stieß einen Schrei aus und wehrte sich.
Tom machte einen Schritt nach vorn. »Lassen Sie sie los!«
Die beiden Soldaten hoben Sally hoch und trugen sie trotz ihrer Gegenwehr zum Jeep. Tom versetzte dem ersten Mann einen Schwinger und schickte ihn zu Boden. Sally riss sich los, und Tom nahm sich den zweiten Mann vor.
Dann fand er sich zu seiner Überraschung auf dem Rü c ken liegend wieder und schaute zum heißen blauen Hi m mel empor. Der Offizier ragte über ihm auf. Sein Gesicht war rot und wütend. Tom spürte an seinem Hinterkopf ein heftiges Pochen. Der Mann hatte ihn mit dem Knauf seiner Waffe niedergeschlagen.
Die Soldaten rissen ihn grob auf die Beine. Sally wehrte sich nun nicht mehr. Sie sah blass aus.
»Machoschweine«, sagte sie. »Wir werden Ihren Angriff der amerikanischen Botschaft melden.«
Leutnant Vespán schüttelte traurig den Kopf, als könne er diese Narretei nicht verstehen. »Könnten wir jetzt in Fri e den abrücken?«
Tom und Sally ließen sich zum Jeep bringen. Der Leutnant verfrachtete Tom auf den Rücksitz und schubste Sally n e ben ihn. Ihre Rucksäcke und ihr Gepäck waren schon aus dem Hotel geholt und im hinteren Teil des Fahrzeugs ve r staut worden. Der Jeep fuhr über die Straße, die zur Land e bahn führte. Dort wartete im Gras ein schäbiger Militä r hubschrauber auf sie. Eine Metallplatte an der Seite des Hubschraubers
Weitere Kostenlose Bücher