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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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wirklich hunderteinundzwanzig Jahre alt?«, fragte Tom.
    Don Alfonso zuckte die Achseln. »Niemand weiß, wie alt er wirklich ist.«
    »Ich aber schon.«
    »Haben Sie jedes Jahr seit Ihrer Geburt gezählt?«
    »Nein, das haben andere für mich getan.«
    »Dann wissen Sie es also auch nicht genau.«
    »Sicher weiß ich es. Es steht auf meiner Geburtsurkunde. Der Arzt, der mich zur Welt gebracht hat, hat sie unte r schrieben.«
    »Wer ist dieser Arzt? Und wo ist er jetzt?«
    »Keine Ahnung.«
    »Glauben Sie wirklich einem nutzlosen Stück Papier, das ein Fremder unterzeichnet hat?«
    Tom schaute den Greis an. Diese irre Logik machte ihn fertig. »In Amerika gibt es einen Beruf für Menschen wie Sie«, sagte er. »Wir nennen sie Rechtsanwälte.«
    Don Alfonso lachte laut und schlug sich aufs Knie. »Das ist ein guter Witz. Sie sind wie Ihr Vater, Tomasito, er ist auch ein sehr komischer Mensch.« Er kicherte eine Weile vor sich hin und paffte. Tom packte die Landkarte von Honduras aus und nahm sie in Augenschein.
    Don Alfonso musterte sie mit kritischen Blicken, dann riss er sie Tom aus der Hand. Er untersuchte sie zuerst von der einen, dann von der anderen Seite. »Was ist das? Nordamerika?«
    »Nein, der Südosten von Honduras. Das da ist der Río Patuca, und dort liegt Brus. Das Dorf Pito Solo müsste sich hier befinden, aber es ist nicht eingezeichnet. Der Meambar-Sumpf scheint auch nicht drauf zu sein.«
    »Dann existieren wir und der Meambar-Sumpf laut dieser Karte also gar nicht. Passen Sie bloß auf, dass diese überaus wichtige Landkarte trocken bleibt. Vielleicht können wir sie eines Tages verwenden, um ein Feuer anzuzünden.« Don Alfonso lachte über seinen Scherz und deutete auf Chori und Pingo, die den Hinweis verstanden und ihrer Erheit e rung ebenfalls Ausdruck gaben, obwohl sie keines seiner Worte verstanden hatten. Don Alfonso lachte sich schief und schlug sich auf den Schenkel, bis ihm die Tränen k a men.
    »Wir haben unsere Reise gut begonnen«, sagte er, als er wieder zu Atem gekommen war. »Wir werden bei unserem Ausflug sehr viel lachen und Spaß haben. Das ist auch gut so, denn sonst macht der Sumpf uns irre und wir sterben.«

23
     
    Sie hatten das Lager mit der üblichen militärischen Präzision auf einer hohen, vom Sumpf umgebenen Insel aufgeschlagen. Philip saß am Feuer, rauchte seine Pfeife und lauschte den abendlichen Klängen des Regenwaldes. Es überraschte ihn, wie kompetent Hauser im Dschungel war. Er hatte das Lager gestaltet und organisiert und leitete die Soldaten bei ihren verschiedenen Aufgaben an. Bisher hatte er von Philip rein gar nichts verlangt und jedes seiner Hilfsangebote abgelehnt. Natürlich war Philip nicht wild darauf, durch den Dreck zu waten und fürs Abendessen Riesenratten zu jagen. Genau das schienen die anderen nun gerade zu tun. Doch andererseits konnte er das Gefühl, nutzlos zu sein, auch nicht ausstehen. Am Feuer zu sitzen und Pfeife zu rauchen, während die anderen die ganze A r beit erledigten, war nicht die Prüfung, die sein Vater im Sinn gehabt hatte.
    Philip trat ein Stück Holz in die Glut zurück. Zum Teufel mit der Prüfung. Seit König Lear sein Reich geteilt hatte, war sie mit Sicherheit die größte Eselei, die ein Vater seinen Kindern je angetan hatte.
    Ocotal, der Führer, den sie in dem jämmerlichen Kaff am Fluss aufgelesen hatten, saß für sich allein, hegte das Feuer und kochte Reis. Er war ein eigenartiger Bursche - klein, schweigsam und voller Würde. Irgendetwas hatte er an sich, das Philip anziehend fand. Er gehörte offenbar zu j e nen Menschen, die unerschütterlich von ihrem eigenen Wert überzeugt waren. Ocotal kannte sich eindeutig auf seinem Gebiet aus und führte sie Tag für Tag und ohne das geringste Zögern durch einen unglaublichen Irrgarten von Seitenarmen des Flusses, wobei er Hausers Ermahnungen, Kommentaren und Fragen keine Beachtung schenkte. Wenn Philip oder Hauser versuchten, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, gab er sich unzugänglich.
    Philip schlug den Pfeifenkopf aus, freute sich, dass er e i nen Vorrat an Dunhill Early Morning mitgenommen hatte, und nahm die nächste Füllung in Angriff. Er sollte wirklich weniger rauchen, besonders angesichts der Krankheit se i nes Vaters. Nach der Reise. Im Moment war der Qualm die einzige Möglichkeit, die Moskitos zu vertreiben.
    Rufe wurden laut. Als Philip sich umwandte, sah er, dass Hauser von der Jagd zurückkehrte. Vier Soldaten schlep p ten einen an einen langen Ast

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