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Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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ihn.«
    In dieser Nacht war der Wald so still, dass Tom Probleme mit dem Einschlafen hatte. Irgendwann nach Mitternacht kroch er in der Hoffnung, etwas frische Luft werde ihm gut tun, aus dem Unterstand. Der sich ihm bietende Anblick verblüffte ihn. Um ihn herum leuchtete der Wald in Pho s phorglanz, als hätte jemand Leuchtpulver verstreut. Das Licht umriss zerfallende Baumstämme und Strünke, Laub, Pilze und eine strahlende Landschaft, die sich in den Wald hinein erstreckte und in dunstigem Glanz verschmolz. Es war, als sei der biblische Himmel auf die Erde gekommen.
    Fünf Minuten später kroch er in den Unterstand zurück und rüttelte Sally. Sie drehte sich um. Ihr Haar war ein Filz aus schwerem Gold. Sie schlief, wie die anderen, in ihren Kleidern. »Was ist denn?«, fragte sie müde. »Sie müssen sich unbedingt was ansehen.« »Ich schlafe doch.«
    »Man muss es einfach gesehen haben.« »Ich muss übe r haupt nichts. Hauen Sie ab.« »Sally, vertrauen Sie mir. Nur dieses eine Mal.« Sally wälzte sich murrend aus der Hä n gematte und trat ins Freie. Dort blieb sie stehen und schaute sich schweigend um. Minuten vergingen. »Mein Gott«, hauchte sie dann, »ich hab noch nie so was Schönes ges e hen. Es ist, als würfe man aus zehntausend Meter Höhe e i nen Blick auf Los Angeles.«
    Das Leuchten erhellte leicht Sallys Gesicht und zeichnete ihre Umrisse vor der Dunkelheit nach. Ihr langes Haar schwang wie eine Lichtkaskade über ihren Rücken, doch es war jetzt silbern statt golden.
    Aus einem Impuls heraus nahm Tom ihre Hand. Sally zog sie nicht zurück. Es lag etwas überraschend Erotisches da r in, nur ihre Hand zu halten. »Tom?« »Ja?«
    »Warum wollten Sie, dass ich das sehe?« »Na ja«, sagte Tom, »weil ich ...« Er zögerte. »Ich wollte es eben mit Ihnen teilen, mehr nicht.«
    »Mehr nicht?« Sally schaute ihn eine ganze Weile an. Ihre Augen wirkten ungewöhnlich strahlend - aber vielleicht war es ja nur eine optische Täuschung. Schließlich sagte sie: »Ich danke Ihnen, Tom.«
    Urplötzlich zerriss der Schrei des Jaguars die nächtliche Stille. Ein schwarzer Schatten bewegte sich langsam vor dem strahlenden Hintergrund - wie das Nichtvorhande n sein von Licht. Als er ihnen seinen mächtigen Schädel z u wandte, sahen sie, dass das matte Leuchten seiner Augen die Millionen Pünktchen in zwei Kugeln reflektierte, wie zwei winzige Galaxien.
    Tom zog Sally langsam an der Hand zu dem Ascheha u fen, der einmal ihr Lagerfeuer gewesen war. Er bückte sich und schob ein Stück Holz aus ihm hervor. Als die gelben Flammen nach oben züngelten, tauchte der Jaguar unter.
    Kurz darauf gesellte Don Alfonso sich zu ihnen ans Feuer.
    »Er spielt noch immer mit seiner Beute«, murmelte der Greis.

36
     
    Als sie am nächsten Morgen aufbrachen, war der Nebel so dicht, dass man in keine Richtung weiter als drei Meter sehen konnte. Sie stiegen den Berg hinauf und folgten dem schwach erkennbaren Wildwechsel. Bald erreichten sie e i nen zweiten Kamm, dann ging es abwärts. Tom konnte am Fuß des Berges das Tosen eines Gewässers hören. Kurz darauf kamen sie am Steilufer eines Flusses heraus, der an der Bergseite in die Tiefe stürzte und dabei über die Fin d linge schoss.
    »Wir fällen einen Baum«, sagte Don Alfonso. Er pirschte herum und fand schließlich einen schlanken Stamm, der so günstig stand, dass er in die richtige Richtung fallen mus s te. »Schlagt ihn an dieser Stelle«, ordnete er an. Alle gaben sich größte Mühe. Nach einer Viertelstunde war der Baum gefällt und bildete dort, wo der von einem anderen Stamm versperrte Fluss sich zu einer strudelnden Rinne verengte, die dann in einem wirbelnden Tümpel endete, eine Art Brücke über die brüllende Stromschnelle.
    Don Alfonso hackte auf einen in der Nähe stehenden jungen Baum ein. Kurz darauf hatte er ihn zu einem etwa zehn Meter langen Stab verarbeitet. Er reichte ihn Vernon. »Sie gehen als Erster, Vernito.«
    »Warum ich?«
    »Weil ich sehen will, ob die Brücke Sie trägt.«
    Vernon schaute ihn kurz an. Don Alfonso klopfte ihm lachend auf die Schulter. »Sie müssen die Schuhe ausziehen,
    Vernito. Gott hat uns nicht ohne Grund nackte Füße gegeben.«
    Vernon streifte seine Schuhe ab, knotete die Schnürsenkel aneinander und hängte sie sich um den Hals. Don Alfonso reichte ihm den Stecken.
    »Machen Sie langsam, und halten Sie an, sobald der Baum anfängt zu schaukeln.«
    Vernon begab sich auf die Behelfsbrücke und balancierte den Stab wie

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