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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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Baron als größerer Vertreter der
menschlichen Rasse stand in der hinteren der drei Reihen. Als Übernächsten
links von ihm entdeckte der Kriminalhauptkommissar den Mann mit den braunen
gewellten Haaren und dem dichten Vollbart. Er schaute direkt in die Kamera.
Haderlein war sofort von seinem Blick gefangen. Er hatte etwas
Hypnotisierendes, obwohl Hans Kiesler auf dem Bild nur andeutungsweise
lächelte. Man gewann den Eindruck, als wollte er schnell austrinken, um sich
dann sofort wieder seiner Arbeit zuwenden zu können. Ein Typ wie aus einem
Abenteuerfilm.
    »›Der
Seewolf‹«, platzte Haderlein spontan heraus.
    »Wer?«,
fragte Hildegard Jahn.
    Auch der
Baron konnte mit dem Begriff erst einmal nichts anfangen.
    »Na, ›Der
Seewolf‹, das war in den Siebzigern eine Fernsehserie mit Raimund Harmstorf.
Hans Kiesler sieht aus wie Raimund Harmstorf in seinen besten Zeiten.«
    Der Baron
stellte sich hinter Haderlein und schaute ihm über die Schulter. »Tatsächlich,
wo Sie es sagen. Das ist mir nie aufgefallen. Allerdings habe ich die Serie
auch eher beiläufig angeschaut. Amerikanische Abenteuergeschichten waren nicht
so meine Sache.« Dann fiel ihm noch etwas ein. »Warten Sie, Herr Kommissar, war
das nicht dieser Harmstorf, der mit bloßen Händen rohe Kartoffeln zerquetschen
und ein Telefonbuch auseinanderreißen konnte?«
    »Genau
der«, bestätigte Haderlein, während er noch immer fasziniert das Foto
betrachtete.
    »Ich
versteh überhaupt nichts«, beschwerte sich Hildegard Jahn.
    »Macht
nichts, das ist nur für die Generation von Herrn Haderlein relevant. Die Gnade
der frühen Geburt, nicht wahr, Herr Kommissar?«, wieherte der Baron und schlug
dem Kriminalhauptkommissar derb und kumpelhaft auf den Rücken.
    Der tat
so, als hätte er nichts bemerkt, und steckte das Bild in seine Jackentasche.
»Ich muss das Foto leider mitnehmen. Schließlich müssen wir damit eine ganze
Fahndung neu bestücken«, knurrte er und warf dem Baron wieder einen bösen Blick
zu.
    »Nun,
Herr Kommissar«, meinte dieser fast schon eilfertig, »da ich ja sowieso eine
verlorene Wette einzulösen habe, könnte ich mich doch mit einem spontanen
Abendessen und einem sehr guten und alten Rotwein für dieses kleine Versäumnis
entschuldigen. Was sagen Sie zu meinem Vorschlag?« Freudig leuchtend ruhte sein
sonst so unsteter Blick auf Haderlein, der erst aus dem Fenster und dann auf
seine Uhr sah.
    Draußen
setzte die Dämmerung ein. Aus dem gemeinsamen Abendessen mit Lagerfeld, Ute von
Heesen und seiner Lebensgefährtin Manuela Rast würde ja aufgrund der
zwischengeschlechtlichen Unstimmigkeiten heute nichts mehr werden. Auch recht,
dann würde er die Einladung des Barons unter einem beruflichen Essen verbuchen.
Er könnte sogar noch Lagerfeld dazuholen. Apropos, wo steckte der Kerl
überhaupt? Die Spurensicherung war doch sicher längst fertig, und sein junger
Kollege hätte ihm Bericht erstatten müssen.
    »Gut,
aber ich werde auch meinen Kollegen Schmitt hinzuziehen, wenn es Ihnen nichts
ausmacht, Herr Baron. Dann können wir uns noch ein wenig über die ganze Sache
unterhalten.«
    Der Baron
zuckte sofort zusammen, als er Lagerfelds offiziellen Namen hörte, wagte aber
nicht zu widersprechen. Schließlich war er gerade in der Bringschuld.
    »Das wäre
schön«, erwiderte er höflich kühl. »Ich werde dann meiner Haushälterin Bescheid
geben, das heutige Abendessen für zwei weitere Personen vorzubereiten.«
    »Sind Sie
dann fertig mit mir?«, fragte die Architektin den Beamten.
    »Das bin
ich, Frau Jahn, aber in der nächsten Zeit wird jemand von uns sicher noch mit
der einen oder anderen Frage auf Sie zukommen«, sagte der
Kriminalhauptkommissar, während er sein Handy aus der Tasche kramte. Der Baron
ging mit Hildegard Jahn schon einmal nach draußen, während Haderlein Lagerfelds
Nummer wählte und wartete und wartete. Kurz vor dem Anspringen der
Lagerfeld’schen Mailbox meldete der sich sehr hastig und nicht minder
verschlafen: »Hallo? Schmitt hier. Was gibt’s denn so Dringendes?«
    So etwas
hatte er noch nie gesehen. Unglaublich. Aber egal, sie waren ihm
hochwillkommen, und er würde den Teufel tun und nachfragen, wie das
funktionierte, was sie da taten. Sie, das waren kleine weiße Elfen, die zu
Hunderten durch den Raum flogen. Mit ihren durchsichtigen Flügelpaaren
schwirrten sie von einer Ecke zur anderen und verrichteten die ekelhaftesten
Arbeiten mit einer aufreizenden Mühelosigkeit. Wie von Geisterhand

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