Der Colibri-Effekt
über das gar nicht nach Baustellenallrad, sondern eher nach
robuster Familienlimousine aussehende Interieur des Haderlein’schen Wagens
schweifen ließ.
»Aber das
werden Sie ja sicher nicht wagen, Herr Kommissar. Ihr modisches Autolein würde
bei diesem Unterfangen ganz sicher schmutzig werden. Besser, Sie stellen es
hier unten ab«, giftelte er hinterher und befingerte vorsichtig den Bezug
seines Sitzes.
Haderlein
atmete tief durch. Einerseits hatte er für solche kindischen Männerwettbewerbe
normalerweise nichts übrig, andererseits hatte er schon immer wissen wollen,
was der Wagen im Gelände draufhatte. Außerdem hatte der Weinkeller des Barons
einen legendären Ruf. Ein Versuch konnte also nicht schaden, dann war für
seinen Freelander jetzt eben der Moment seiner Bewährung gekommen. Haderlein
blickte emotionslos zum Beifahrersitz hinüber, auf dem sich der Baron gerade
mit den elektrischen Fensterhebern auseinandersetzte. In seinem kleinen Forst-,
Wald- und Wiesen-Allrad von Suzuki gab es solchen Schnickschnack nicht.
Haderlein
drehte kurz an dem Rädchen auf der Mittelkonsole, bis im Armaturenbrett des »Terrain Response« der Schriftzug »Schlamm, Spurrillen«
aufleuchtete, legte den ersten Gang ein und gab Gas. Der Motor heulte kurz auf,
der Freelander machte einen gewaltigen Satz auf die Dreckpiste des Burgweges,
dann veränderte sich das Stakkato des Turbodiesels zu einem sonoren Brummen,
und die vier Räder begannen sich ruhig und gleichmäßig durch den Dreck zu
fressen.
»Was
machen Sie denn da?«, rief der Baron mehr verblüfft denn erschrocken und hielt
sich verkrampft am Griff der Beifahrertür fest. Erst als er merkte, mit welcher
Gleichmäßigkeit sich das Fahrzeug den Weg hinaufarbeitete, entspannte er sich
wieder.
Wie
schafft dieser Wagen das nur?, fragte sich der Baron zu Recht, immerhin wog der
Freelander um die zwei Tonnen, und mit dem Dreck, der mittlerweile an der
Karosserie klebte, erhöhte sich das Gewicht sogar noch sukzessive.
»Jedes
der vier Räder wird von der Bordelektronik gesteuert und im Vortrieb gemanagt.
Hätte aber auch nicht gedacht, dass das so gut funktioniert.« Haderlein war
äußerst zufrieden, während er mit durchgetretenem Gaspedal und nur einer Hand
am Lenkrad seinen Allrad sehr entspannt den Berg hinaufsteuerte. Souverän
erreichte der Freelander schließlich das Ende des Weges, das zukünftige
Burgtor, und Haderlein parkte den Wagen neben einem Stapel von Gerüststangen.
»Unglaublich«,
brachte der Baron ehrfürchtig hervor und blickte anerkennend auf die Armaturen
des Landrovers.
Haderlein
lachte leise in sich hinein, während er ausstieg. Seine gute Laune verging ihm
allerdings auf der Stelle, als er merkte, dass er mit seinen Lederschuhen
knöcheltief im Morast stand. Tja, Pech gehabt. Jetzt war es am Baron, laut
aufzulachen.
»Nun,
Herr Kommissar, das mit der Auffahrt war nur der eine Teil der Übung, der
andere ist das Waten durch den Schlamm«, meinte er amüsiert. »Aber schon jetzt
haben Sie sich einen exquisiten kulinarischen Abend verdient. Kommen Sie, dort
hinten habe ich Schotter aufschütten lassen, da lässt es sich besser laufen«,
schmunzelte er und ging in seinen stiefelartigen Gummiboots dem
Kriminalhauptkommissar voran durch den angedeuteten Eingang in den Innenhof der
Stufenburg. Überall standen Gerüste, und zahlreiche Arbeiter und auch einige
Arbeiterinnen waren handwerklich beschäftigt, allerdings standen auch der ein
oder andere Kran sowie sonstige Baumaschinen herum beziehungsweise waren gerade
im Gebrauch.
»So, Herr
Kommissar, Sie sehen hier den Traum meiner schlaflosen Nächte. Die Stufenburg
der Herren zu Rotenhenne. Zumindest das, was bereits wiederauferstanden ist aus
den Ruinen.«
Der Baron
drehte sich im Kreis und betrachtete mit glänzenden Augen die um ihn herum in
die Höhe wachsenden Burgmauern.
Haderlein
war überrascht, so viele Arbeiter zu sehen. Es schien zu stimmen, was er schon
des Öfteren im »Fränkischen Tag« gelesen hatte. Aus ganz Deutschland strömten
Freiwillige nach Baunach, um beim Wiederaufbau der Burg zu helfen. Studenten
sämtlicher Fakultäten, die mit der Materie auf irgendeine Art und Weise zu tun
hatten, Handwerker aller Klassen und Ausbildungsstände und dazu noch die
Angestellten der einen oder anderen Firma, die dem Baron mit der einen oder
anderen Maschine unter die Arme griff. Alle wollten bei dem einmaligen Projekt
dabei sein – anscheinend auch noch nach Feierabend an einem
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