Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
Vom Netzwerk:
bewegt,
klebte eine Fliese nach der anderen auf den Millimeter genau an ihrem
zugedachten Platz. Vier andere der kleinen Elfen platzierten jeweils eine
Gipsplatte an der Küchendecke und schraubten sie in atemberaubendem Tempo fest.
Und diesmal fielen die Gipsplatten auch nicht wieder herunter wie gestern, als
er, Lagerfeld, sich an der gleichen Arbeit versucht hatte. Ein ganzer Schwarm
der halb durchsichtigen Helferlein hatte sich nun mit joghurtbechergroßen
Eimerchen an die Wohnzimmerdecke gekrallt, um sie mit schwingkopfgelagerten
weißen Dr. Best-Zahnbürstchen zu streichen. Und dies alles noch dazu in
einer unglaublichen Geschwindigkeit. Bernd Lagerfeld Schmitt saß bei geöff-
neter Tür und mit heruntergelassener Hose auf seiner halb fertigen Toilette und
betrachtete hocherfreut das wundersame Treiben, während »Hotel California« von
den Eagels aus weit entfernten Lautsprechern erklang.
    Einige
der kleinen Elfen kamen nun auch durch die geöffnete Toilettentür zu ihm
hereingeschwebt. Bei näherer Betrachtung stellte er erstaunt fest, dass sie
eine frappierende Ähnlichkeit mit seiner geliebten Ute hatten. Aber was hieß
schon Ähnlichkeit? Sie waren Ute wie aus dem Gesicht geschnitten! Die vorderste
der nun direkt vor ihm flatternden Ute-Elfen, deren Flügelchen etwas länger als
die der anderen zu sein schienen, lächelte ihn zuerst an, forderte ihn dann
aber in einem seltsamen Singsang auf, unverzüglich die Toilette zu verlassen,
da sie eine fünf Meter hohe Eieruhr in den Raum einbetonieren müssten. Die
anderen Elfen fielen in ihren Singsang ein und wiederholten die Aufforderung
mehrstimmig im Chor.
    Lagerfeld
griff sich einen abgewetzten Besen, der schon seit Tagen im Klo herumstand, und
versuchte im Sitzen die penetranten Flugelfen aus seinem heiligen Refugium zu
vertreiben, doch sie wichen seinem grobmotorischen Gefuchtel mühelos aus. Dabei
wurden sie immer größer, bis sie die Größe einer erwachsenen Frau erreicht
hatten. Die Musik der Eagles hatte inzwischen eine infernalische Lautstärke
angenommen. Irgendwann war es selbst ihm zu viel, und Lagerfeld beschloss
aufzuwachen.
    Dunkelheit
umgab ihn, und er spürte hartes Holz unter seinem Rücken. Verwirrt blinzelte er
um sich. Er lag auf seiner Jacke auf der Gartenbank des Barons von Rotenhenne,
es war dunkel und kalt, und aus seiner Hosentasche erschallte »Hotel
California«, begleitet vom Vibrationsalarm. Schlaftrunken, noch etwas
orientierungslos, aber nichtsdestotrotz genervt zog er das Handy aus der
Tasche.
    »Hallo?
Schmitt hier. Was gibt’s denn so Dringendes?«, krächzte er in das Mikrofon
seines Mobiltelefons.
    »Du bist
wo?«, fragte Haderlein ungläubig und lauschte ins Handy. »Aha, und was hast du
dort die ganze Zeit gemacht? Die Spusi ist doch bestimmt längst
abgezogen? – Die Wiese um den See herum nach Spuren abgesucht? – Das
Gartenhaus beobachtet? So so. Na, dann hoffe ich mal, dass sich das Gartenhaus
nicht weiter verdächtig verhalten hat, Bernd. Und hoffentlich hast du noch
Etliches an Beweismitteln in der Wiese sichergestellt, Kollege Schmitt, sonst
würde ich mich eventuell weigern, die damit verbrachten Stunden als Arbeitszeit
zu definieren, klar? Es gibt hier nämlich auch ältere Kollegen, die sich während
deines Schläfchens akribisch mit gewissen Mordfällen auseinandergesetzt haben«,
fauchte er verärgert. »Aber wo du schon mal da bist, bleib doch einfach da und
beobachte noch ein bisschen die Biber. Der Baron war so freundlich, uns in
seinem Haus zum Essen einzuladen. Ich bin mit ihm in zwanzig Minuten da und
hoffe doch sehr, meinen jungen Kollegen dann in einem repräsentablen Zustand
vorzufinden. Ich gehe davon aus, dass wir uns verstanden haben!« Verärgert
legte er auf und steckte das Handy in seine Jackentasche.
    Der
erweckte Lagerfeld stand eine Weile unschlüssig herum. Was, zum Geier, hatte er
Franz da gerade für einen Mist erzählt? Der musste ihn ja für völlig bescheuert
halten. Nach Spuren in der Wiese gesucht? So ein Quatsch. Abendessen? Na gut.
Hunger hatte er jedenfalls. Aber er und repräsentabel? Verzweifelt schaute er
an sich herunter und betrachtete die vielen kleinen weißen Farbspritzer auf
seinem Hemd. Wo sollte er denn auf die Schnelle eine neue Garderobe
herbekommen, noch dazu ohne fahrbaren Untersatz?
    Bevor er
noch weitere Überlegungen zu seiner Kleidung anstellen konnte, öffnete sich
eine Tür des Haupthauses, und der Lichtschein einer Lampe fiel nach

Weitere Kostenlose Bücher