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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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konnte er nichts ausrichten, also ergriff
er seine einzige Chance: Er trat das Gaspedal voll durch, und der Nissan
driftete mit quietschenden Reifen um eine lang gezogene Biegung. Auch die
beiden Volvos erhöhten die Geschwindigkeit, und das hintere der beiden
Fahrzeuge setzte in der Kurve sogar noch zum Überholen an. Was sollte das denn
werden?
    Er hatte
seinen Blick etwas zu lange den Verfolgerfahrzeugen im Rückspiegel gewidmet,
als er am Ende der Kurve wieder nach vorn schaute und sah, dass ihm ein
Wohnmobil entgegenkam – und zwar rückwärts. Auf seiner Fahrspur. Eine
Schrecksekunde lang war er unfähig zu reagieren, dann schaltete er auf
Automatik um. Er riss das Steuer scharf nach links und schrammte mit einer
Schaukelbewegung, bei der beide rechte Reifen des Pick-ups für einen kurzen
Moment den Kontakt zum Teer verloren, gerade so an der linken Seite des
Wohnmobils vorbei. Mit heftigen Lenkbewegungen hielt er den schweren Wagen auf
der Straße, konnte aber alsbald im Rückspiegel beobachten, dass die Volvos
nicht so viel Glück hatten. Hinter ihm flogen die Fetzen – vor allem aber
die Plastikverkleidungen des Wohnmobils – durch die Gegend.
    Als sich
sein Puls wieder beruhigt hatte, breitete sich ein zufriedenes Grinsen auf
seinem Gesicht aus. Welcher Wahnsinnige auch immer dieses Wohnmobil rückwärts
über diese Straße gesteuert hatte, ihn hatte der Himmel geschickt.
Normalerweise gehörte so ein geistesgestörter Irrer natürlich auf der Stelle
eingesperrt, aber dem hier würde er glatt einen ausgeben. Die Volvos waren
jedenfalls aus seinem Rückspiegel verschwunden.
    »Da vorn
ist er«, knurrte Rutger auf dem Beifahrersitz und deutete auf den Nissan,
dessen Umrisse vor ihnen im Morgengrauen auftauchten. Er nahm das Funkgerät und
gab den beiden hinter ihnen Bescheid, dass sie sich bereithalten sollten. Dann
legte er das Funkgerät auf die Seite und entsicherte die Maschinenpistole, die
auf seinen Knien lag. Die Lippen des kurzhaarigen Fahrers neben ihm waren nur
noch ein dünner Strich. Am liebsten hätte er den Nissan auf der Stelle gerammt
und in den Fluss gestoßen, der neben der Straße verlief. Er spürte nichts als
Hass und den Wunsch nach Vergeltung. Alle von ihnen hatten mit ihm noch eine
Rechnung offen. Eine sehr teure, sehr blutige Rechnung.
    Rutger
war erst beunruhigt, dann sauer, dann wieder verunsichert. Klaus und sein Bruder
hatten sich nicht mehr gemeldet. Eigentlich hatten sie nur das Restaurant
anzünden und dann nachkommen sollen, aber bisher waren sie nicht aufgetaucht,
und auf sämt- lichen Kanälen, egal ob Funk oder Handy, meldete sich auch
niemand. Etwas musste schiefgelaufen sein. Langsam hatte er die Schnauze
wirklich gestrichen voll. Dieses ganze Unternehmen kotzte ihn nur noch an.
    »Jetzt
fahr schon, verdammt noch mal«, blaffte er seinen tätowierten Fahrer an. »Die
Drecksau soll endlich blutend vor mir liegen.« Der Fahrer gab sofort Gas,
wodurch Rutger für einen kurzen Moment das Gleichgewicht verlor und mit
erhobener Maschinenpistole die Fliehkräfte ausgleichen musste. »Verdammt, holst
du den jetzt endlich ein, oder soll ich –«
    »Das
Schwein hat was gemerkt! Der haut ab!«, rief der Fahrer, und freudige
Erregtheit schwang in seiner Stimme mit. »Aber den werde ich gleich haben!
Jetzt ist er fällig, jetzt kriegen wir ihn am Arsch!«
    Rutger
schien zwar ob der Fahrkünste seines tätowierten Kameraden seine Zweifel daran
zu haben, aber jetzt gab es keine Alternativen mehr. Sie durften ihn auf keinen
Fall entkommen lassen. Nicht nach alldem, was passiert war. Wieder hob er das
Funkgerät. »Es geht los, nach der nächsten Kurve überholt ihr ihn und blockiert
die Straße. Dann haben wir den verdammten Wichser und machen die Drecksau
fertig!« Rutger warf das Funkgerät auf die Polster des Rücksitzes, dann
umschlossen seine muskulösen Hände die Maschinenpistole.
    Endlich
war es so weit. Der Nissan vor ihnen driftete mehr um die Kurve, als dass er
fuhr. Doch dann, als die Kameraden hinter ihnen mit ihrem Volvo ausscherten, um
zu überholen, machte der Nissan urplötzlich und völlig unerwartet einen
Schlenker nach links auf die andere Straßenseite.
    Das
Einzige, was Rutger von diesem Vorfall später noch in Erinnerung bleiben
sollte, war das Heck eines Wohnmobils und ein Nummernschild, das rasend schnell
näher kam, bis es auf Kopfhöhe in die Windschutzscheibe des Volvo krachte.
Kreischend wurde Metall verbogen, Körper wurden durch Fahrzeuge

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