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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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gemacht,
weil sie ja dachte, der Baron würde nur die Biber aufs Korn nehmen. Als aber
gleich darauf noch zwei Schüsse aus einer anderen Waffe fielen, habe sie das doch
stutzig gemacht, und sie sei aus dem Bett gestiegen, um nachzusehen, was
eigentlich los sei. Als sie in den Hof trat, seien schon die Nachbarn angerannt
gekommen, weil auch sie die Schüsse gehört hatten. Die hätten dann auch die
Polizei und die Sanitäter gerufen. Sie selbst habe völlig geschockt im Haus
gewartet, bis die Polizisten eingetroffen waren.
    Erschöpft
beendete die Haushälterin ihre Schilderung. Haderlein hatte sich währenddessen
Notizen gemacht. Gerade als er fragen wollte, ob sie nicht irgendeine Idee
hätte, wer denn auf den Baron geschossen haben könnte, drang vom Flur her ein
protestierender Schrei und das Knurren eines Hundes.
    Der Mann
von der Spurensicherung drehte sich verwundert um, während Haderlein schon
aufgesprungen war. Im Gang bot sich ihm ein absonderliches Bild: Unter der
hölzernen Treppe, die ins erste Geschoss führte, stand Riemenschneider
breitbeinig wie ein aufgeputschter englischer Kampfhund und knurrte den zweiten
Kollegen von der Spurensicherung an, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die
blutende Hand hielt. Haderlein suchte noch nach Worten, als es hinter ihm
plötzlich aufblitzte. Erschrocken fuhr er herum. Der Spurensichererkollege
hatte grinsend ein hochauflösendes Foto von der skurrilen Situation geschossen.
    »Für die
Annalen«, sagte er.
    »Was ist
hier los?« Fragend blickte Haderlein von Riemenschneider zu dem blutenden
Michael Lehnert.
    »Ihr
gemeingefährliches Schwein hat mich gebissen!«, rief dieser und funkelte das
kleine Ferkel mit offensichtlichen Rachegelüsten an.
    »Riemenschneider
beißt niemanden grundlos, das hat sie noch nie gemacht, das ist überhaupt nicht
ihre Art«, verteidigte Haderlein seine tierische Helferin, obwohl er sich bei
Riemenschneiders momentanem Allgemeinzustand nicht so sicher war.
    »Ach so,
ist also nicht ihre Art«, wiederholte Spurensicherer Lehnert sarkastisch. »Nun,
meine Hand blutet normalerweise auch nicht einfach so, Haderlein, das ist auch
nicht ihre Art!« Widerstandslos wollte er diesen Angriff nicht auf sich sitzen
lassen. »Vielleicht hat sie ja ihre Tage, die Frau Riemenschneider, und zickt
deshalb so rum! Aber das werde ich –«
    »Vielleicht
erzählen Sie uns einfach mal, was passiert ist, Lehnert«, unterbrach ihn der
Kommissar sanft, um die Wogen zu glätten.
    »Was
passiert ist? Ich werde Ihnen sagen, was passiert ist. Ihr verdammtes Schwein
ist völlig durchgeknallt, das ist passiert! Ich wollte nur diese Zigarette da
unter der Treppe aufheben, die ihr Schwein durch Zufall gefunden hat, und dann
hat mich dieses … dieses Drecksvieh einfach ohne Vorwarnung in die Hand
gebissen.« Michael Lehnert musste sich beherrschen, um nicht noch einmal zu
explodieren. Er vertiefte sich darin, mit einer Stoffbinde das Blut von der
Hand zu tupfen. Die sogenannte Wunde war eigentlich nicht der Rede wert.
Insgesamt sah sie ganz nach einem Riemenschneider’schen Warnbiss aus, also nach
genau dem, was man ihr in der Polizeihundeschule beigebracht hatte zu tun, wenn
sie etwas gefunden hatte und sichern sollte.
    Michael
Lehnert verließ leise fluchend den Raum, gefolgt von seinem noch immer
grinsenden Kollegen. Das würde wohl die eine oder andere Bemerkung der anderen
Spurensicherer nach sich ziehen, wenn die spitzbekamen, was sich hier ereignet
hatte.
    Haderlein
ging in die Knie. Die Riemenschneiderin stand noch immer stocksteif unter der
Treppe, hatte die Ohren steil aufgerichtet und stellte einen energischen, fast
triumphierenden Gesichtsausdruck zur Schau. Sie hätte wohl auch eine
Siegeszigarre nicht abgelehnt, hätte ihr jemand eine gereicht.
    Haderlein
tätschelte ihr den rosa Kopf. »Gut gemacht, du Polizeihund, sehr gut gemacht.
Bist ein ganz braves Schweinchen.« Zur Belohnung holte er ein paar Nüsse aus
der Jackentasche, die er für solche Zwecke stets bei sich trug. Sofort
entspannte sich das Ferkel, und der siegesstolze Blick in seinen Äuglein wich
einer freudigen Erregung, die sich in Schwänzchenwedeln und
Haderleins-Hand-ablecken äußerte.
    Als der
Hauptkommissar endlich nach dem Grund des Disputes griff, war seine
Gelassenheit schlagartig verschwunden. Er fröstelte, ein sicheres Zeichen, dass
er einer indifferenten dunklen Gefahr auf der Spur war. Was er vorsichtig mit
einem Papiertaschentuch in seinen Fingern hielt, war eine

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