Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
Vom Netzwerk:
Boden. Der
Hubschrauber erhob sich und flog in Richtung Westen. Nach kurzer Zeit befanden
sie sich über der Nordsee, und Jahn begann über Funk mit hektischer Stimme zu
sprechen. Was er wem genau erzählte, konnte Lagerfeld bei dem lauten
Rotorengeräusch nicht verstehen. Dann stöpselte Jahn etwas am Cockpit aus,
woraufhin eine Kontrollleuchte am Panel und eine kleine Anzeige mit mehreren
Ziffern erloschen. Er drückte den Steuerknüppel nach vorn, und der Hubschrauber
senkte sich im Sturzflug, bis HG ihn knapp über
dem Meeresspiegel abfing und sie in dieser Höhe weiterflogen.
    »Was
machst du da?«, brüllte Lagerfeld, dem das alles überhaupt nicht gefiel, von
seinem Kopilotensitz misstrauisch hinüber.
    »Ich habe
den Transponder ausgeschaltet und uns tot gestellt«, antwortete Jahn. »Wir
befinden uns über internationalem Gewässer und sind ab jetzt auf uns allein
gestellt. Offiziell gibt es uns nicht mehr.« Er lächelte Lagerfeld aufmunternd
zu, aber der Kommissar spürte, dass das, was HG da vorhatte, gelinde gesagt ziemlich abenteuerlich war.
    Während
des Fluges über das offene Meer kam es zu keiner weiteren Konversation, da
Lagerfeld schlicht die Müdigkeit übermannte. Das Schlafdefizit der letzten Tage
war einfach zu groß und der Kopilotensitz zu bequem. Er erwachte erst wieder,
als sie sich im Anflug auf ein Tal befanden, an dessen Ende ein überschaubarer
Flugplatz immer näher kam. Der Helikopter landete am Rande zwischen kleinen
Flugzeugen und allerlei anderem Gerät. Als er aus dem Seitenfenster sah, konnte
Lagerfeld auf dem Hauptgebäude des Flugplatzes die Aufschrift »Risør Airfield«
erkennen.
    Nachdem
die Kufen des Helis den Beton berührt hatten, kam aus dem Gebäude ein Mann
gelaufen. HG legte seinen Pilotenhelm ab, stieg
aus und winkte Lagerfeld, ihm zu folgen. Die beiden Männer umarmten und
unterhielten sich kurz, bevor der durchtrainierte Typ mit den dunklen Haaren
auf den Kommissar zukam und ihn begrüßte.
    »God
dag«, schallte es Lagerfeld entgegen, der sofort entschuldigend die Hände hob.
    »Ich kann
leider kein Norwegisch. English, Deutsch?«, ließ er den Versuchsballon steigen.
    »Ikke
noe problem«, antwortete der Mann lächelnd und drückte ihm kurz und kräftig die Hand. »Ich
bin Ewald. Ewald Schweigert. Ich spreche noch Deutsch, auch wenn ich schon seit
über zehn Jahren hier wohne, keine Sorge.«
    »Das ist
gut, dann kannst du mir ja vielleicht bei Gelegenheit erklären, was hier
eigentlich los ist«, legte Lagerfeld sofort los, was bei Ewald Schweigert einen
fragenden Blick in Jahns Richtung hervorrief, der jedoch unmerklich den Kopf
schüttelte.
    » Vel, venner , dann lasst uns erst einmal nach drinnen gehen
und etwas Warmes essen. Anschließend schauen wir dann weiter.«
    Im
Gebäude nahmen sie in einer Art Gemeinschaftsraum Platz, der einfach
eingerichtet, aber sauber war. HG und Lagerfeld
setzten sich ans Kopfende des hölzernen Tisches, während Ewald Schweigert die
Verpackungen von drei Fertiggerichten entfernte. Hans Günther sah auffallend
mitgenommen aus. Auch er hatte in der letzten Zeit anscheinend wenig
geschlafen, und eine unbekannte schwere Last hobelte an seiner Konstitution,
das wurde für Lagerfeld immer deutlicher.
    »Wer ist
denn jetzt dieser Ewald?«, fragte Lagerfeld, frisch und ausgeschlafen, seinen
Freund leise.
    »Ewald
ist einer meiner alten Kumpels vom KSK aus früheren
Zeiten. Er hatte genauso die Schnauze von dem Verein voll wie ich.«
    Lagerfeld
bekam große Augen. »Vom KSK ? Wir reden vom KSK der Bundeswehr? Der Eliteeinheit?«
    Jahn
nickte – allerdings nicht begeistert. »Nach dem Abi war ich beim Bund und
habe dort eine Ausbildung zum Hubschrauberpiloten gemacht. Das war eine geile
Zeit, aber danach hat mich der Teufel geritten, und ich bin zum ›Kommando
Spezialkräfte‹ gewechselt. Mich haben sie in die Marineeinheit gesteckt. Wir
waren so eine Art Kampftaucher mit Universalausbildung. Die Bezahlung war
besser, aber der Job war«, er rang um Worte, »der Job war knüppelhart. Doch das
Allerschlimmste waren die Konsequenzen für das Privatleben. Das gab es schlicht
und einfach nicht mehr. Das Ergebnis waren eine gescheiterte Beziehung, eine
Scheidung und Freunde, die ausschließlich aus der Bundeswehrzeit stammten.«
    Im
Hintergrund konnte man hören, wie Ewald die Fertiggerichte in die Mikrowelle
schob und diese leise zu summen begann.
    »Wie muss
ich mir das vorstellen, Spezialkräfte? Wart ihr auch in Afghanistan?«

Weitere Kostenlose Bücher