Der Colibri-Effekt
beduselten Madam sichtlich
enttäuscht noch zu.
»Enkelchen
würde es wohl eher treffen«, knurrte Haderlein, aber zu seinem Glück war der
Chef der Erlanger Gerichtsmedizin gerade nicht besonders aufnahmefähig. Also
versuchte er sich ihm gegenüber kurz zu fassen. »Herr Professor, ich wollte
eigentlich nur wissen, ob Sie bei dem Kopflosen schon etwas herausgefunden
haben?«, rief er dem Angetrunkenen ins Ohr.
»Habbich«,
verkündete Siebenstädter stolz und nippte an seiner Mixtur. Damit verebbte
seine plötzliche Auskunftsfreude auch schon wieder, und sein Blick ging erneut
auf Wanderschaft.
Doch
Haderlein blieb hartnäckig und drehte Siebenstädters Kopf in seine Richtung.
»Und was? Bitte konzentrieren Sie sich, Herr Professor.« Haderlein versuchte
verzweifelt geduldig zu bleiben.
»Dod«,
kam die knappe Auskunft des Professors, dann schien ihm noch etwas einzufallen,
denn er zerrte Haderlein am Ärmel wieder zum Buffet zurück und sagte
theatralisch: »War schafes Messer, gaaanz schaaf. Soo lang unnefähr.« Er wollte
mit beiden Händen die Länge der Klinge darstellen, hatte aber größte Mühe, das
Gleichgewicht zu halten.
Dadurch
bedingt variierte die Schwankungsbreite der Angabe nach Haderleins Schätzung um
bis zu vierzig Zentimeter. Das schien ihm dann doch etwas zu ungenau. Haderlein
gab es auf. Vielleicht war es ja doch besser, morgen noch einmal
vorbeizukommen, wenn hier alle wieder nüchtern waren. Ein scharfes Messer, aha.
So genau hatte er es eigentlich gar nicht wissen wollen, dachte Haderlein
sarkastisch.
Siebenstädter
musste seinen enttäuschten Blick bemerkt haben. Plötzlich krallte er sich in
seiner Jacke fest und plapperte etwas vor sich hin, das in etwa so klang:
»Zseigen. Suppenbulle kannowas lennen bei Siemmenstädter.« Dann ließ er vom
Kommissar ab und hob das weiße Tuch am Kopfende des vermeintlichen Buffets nach
oben. Rechts und links fielen Eiswürfel sowie türkisfarbene Cocktailgläser auf
den steinernen Boden des Sezierraumes und zersprangen klirrend.
Haderlein
glaubte, seinen Augen nicht zu trauen, als er den durchtrennten Hals des
Kopflosen aus seinem Mordfall vor sich erblickte.
»Senn
Sie?«, fragte Siebenstädter, während sich nach und nach immer mehr
interessierte Gäste dieses abstrusen Events um den Buffettisch scharten.
Siebenstädter deutete so gezielt wie möglich auf den Hals des Toten. »Ganns
schaaf. Keine Fannsen. Wie ein Messger smachen würde. Und sswar ein guter«,
brabbelte der Professor.
Haderlein
war das jetzt zu viel. Das hier war ganz und gar nicht nach seinem Humor.
»Siebenstädter, Sie haben eine Leiche als Deko für Ihre durchgeknallte Feier
missbraucht! Wie abgefahren ist das denn?« Entsetzt blickte er den
Gerichtsmediziner an. Er hatte ja gewusst, dass Siebenstädter etwas gaga war,
aber das hier schlug dem Fass den Boden aus.
Doch der
Mediziner zeigte sich nicht im Mindesten schuldbewusst und schüttelte vehement
den Kopf. »Nix Deko, auff ga keinen Fall. Eine Demonsration fü schbäder, fü
meine Schudenden«, erklärte er sich.
Der
Professor tat dem Kommissar fast schon leid. Bei irgendeiner Zutat zu diesem
Cocktail musste er sich vergriffen haben – aber so was von. Doch darauf
konnte er jetzt beim besten Willen keine Rücksicht nehmen. Haderlein wandte
sich um und verließ fluchtartig den Sezierraum, während die Medizinstudentin
mit Dackelblick Anstalten machte, einen bunten hawaiianischen Blumenkranz um
den kaum noch vorhandenen Hals des Toten zu legen.
Haderlein
wusste nicht, ob er lachen oder sich ärgern sollte. Ein paar mehr Informationen
hatte er sich schon von seinem Besuch bei Siebenstädter erhofft. Andererseits
lieferte die erbärmliche Vorstellung des Professors ein gigantisches Arsenal an
Munition für die Gesprächsduelle, die sie sich in Zukunft weiterhin regelmäßig
liefern würden. Den nächsten Disput würde Siebenstädter jedenfalls aus einer
sehr unbequemen Verteidigungsposition heraus bestreiten müssen. Der Leiter der
Gerichtsmedizin im geburtstäglichen Drogenrausch, mein Gott, Siebenstädter
konnte froh sein, wenn die Öffentlichkeit keinen Wind davon bekam. Haderlein
war sich zwar relativ sicher, dass die Wirkung des künstlichen Gebräus
Siebenstädters so nicht beabsichtigt gewesen war, trotzdem würde seine
Geburtstagsfeier auf fragwürdige Weise in die Annalen des aus gänzlich anderen
Gründen so renommierten Institutes eingehen.
Um die
Zeit des restlichen Tages sinnvoll zu nutzen, stattete
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