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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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auf – und traute seinen
Augen nicht.
    Der
ansonsten kahle und sterile Raum war mit Girlanden und bunt leuchtenden
Lämpchen geschmückt. Die meisten Anwesenden trugen zwar ihre weiße
Dienstkleidung, aber zusätzlich runden Blumenschmuck im Haar, sodass sie
aussahen wie frisch aus dem Grab gestiegene hawaiianische Ureinwohner.
Getrunken wurde ein abstruser Cocktail türkiser Farbe, und aus den
Lautsprechern eines Gettoblasters, der auf einem seitlichen Ablagetisch aus
Edelstahl stand, wurde der Raum mit Bluegrass-Rhythmen beschallt. Professor
Siebenstädter stand etwas weiter hinten im Raum in einem billigen
Frankensteinkostüm und unterhielt sich angeregt mit einer jungen Studentin, die
ihn mit ergebenem Dackelblick anhimmelte.
    Haderlein
ging als Erstes zur Schallquelle, um diese leiser zu drehen. Dieses
Waschbrettgekratze hatte er noch nie ausstehen können. Auf dem Weg zu
Siebenstädter wurde ihm von einer ziemlich angetrunkenen Medizinstudentin ein
bunter Blumenkranz auf dem Kopf befestigt. Haderlein befürchtete schon
irgendwelche Annäherungsversuche der leicht schwankenden Halbnacktschnecke,
doch die gesellte sich wieder kichernd zu ihren Kommilitoninnen zurück. Er
hatte Siebenstädter fast erreicht, als dieser ihn entdeckte.
    »Ah,
unnnser Subberbulle aus Bambeeerch!«, rief der Gerichtsmediziner fröhlich,
allerdings ohne Studentin oder den türkisfarbenen Longdrink loszulassen. Er
strahlte übers ganze Gesicht.
    »Siebenstädter,
was ist hier los, zum Teufel?«, fragte Haderlein in einem Tonfall, als hätte er
seine fünf Kinder beim Bemalen der gefesselten Mutter mit Wandfarbe erwischt.
    Doch
Siebenstädter wirkte wenig schuldbewusst. »Was hier los is? Ich hab
Gebrutstach, Enschulligung, Gebrurtssach, das sollas heißen. Meinen
fünffuchsigsten, Herr Hadderein.« Er schwankte schwer, dann setzte er eine
plump spitzbübische Grimasse auf, näherte sich mit seinen haifischähnlichen
Zähnen Haderleins Ohr und flüsterte: »Eine Schnapssahl, Hadderein.« Dann
richtete er sich urplötzlich wieder auf und rief laut und fröhlich: »Eine
Schnapssahl, Hadderein! Wolln Sie auch nenen Schnaps, Sie Suppenbulle?« Das
Dackelchen in seinem Arm fing hemmungslos zu kichern an.
    »Äh, nein
danke, ich bin ja im Dienst«, antwortete Haderlein etwas überrascht von der
lässigen Stimmung im Sezierraum. Das skurrile Ambiente und das pubertäre Gehabe
des Chefs der Erlanger Gerichtsmedizin behagten ihm ganz und gar nicht. Doch
Siebenstädter hatte nicht die Absicht, daran etwas zu ändern. Jedenfalls nicht
an seinem Schnapszahl-Geburtstag.
    Er nahm
ein Glas von einer Art Buffet, das auf einem weißen Leichentuch aufgebaut war,
welches etwas Gewölbt-Längliches bedeckte. Haderlein vermutete die Nachspeise
darunter. Um dieses verborgene längliche Gebilde herum türmten sich Berge
bereits schmelzender Eiswürfel, in denen die Gläser mit den türkisfarbenen
Cocktails standen. Siebenstädter drückte ihm das Glas in die Hand und hob dann
so ruckartig dozierend einen Finger in die Luft, dass ihm die Kappe des
Frankensteinkostüms nach hinten rutschte.
    »Unnd
jesst noch nenen Wüffel für unnsenen Suppenbullen!«, rief er euphorisch und
warf Haderlein einen Eiswürfel vom Buffet ins Cocktailglas, dass es nur so
spritzte. Die Dackelstudentin nahm dies zum Anlass, wieder in einen längeren
Kicheranfall auszubrechen, während Siebenstädter den Kommissar erwartungsvoll ansah.
Wahrscheinlich wartete er auf einen Trinkspruch im Namen der Bamberger
Kriminalpolizei? Haderlein würde den Teufel tun.
    Widerwillig
nippte er an dem Gebräu, damit Siebenstädter endlich Ruhe gab und ihm nicht
irgendwann einen Strick daraus drehen würde. Das Zeug schmeckte nach einer
Kreation aus Acrylfarbe mit sehr viel Zucker. »Was ist denn da drin?«, fragte
er, um der Höflichkeit Genüge zu tun.
    Wieder
setzte Siebenstädter seinen spitzbübischen Blick auf. »Fannz, das willsu gar
nich wissen, hihi. Da is nämich ga nis drin, wassu da draußen gaufen ganst,
Suppenbulle. Das Seug is einmalich, gibb’s bloß hier.«
    Haderlein
räusperte sich, um sein Entsetzen zu überspielen, und stellte das Glas mit dem
pathologisch-chemischen Experiment schnell wieder aufs Buffet zurück. Dann
löste er Siebenstädter aus den Armen der Studentin, die ihn frustriert
anstarrte, und zerrte den Professor mit sanfter Gewalt auf die Seite, fort von
Bluegrass und eigenhändig gepanschtem Alkohol.
    »Schüss,
Engelchen!«, flötete Siebenstädter der schwer

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