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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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über die Haßfurter nur
sehr spärlich mit. Jetzt jedoch hatte ihn die unterfränkische Wirklichkeit
eingeholt. Ausgerechnet in Norwegen. Nur wegen der beiden senilen Tattergreise
hatten sie Jahn aus den Augen verloren. Nicht nur, dass er jetzt etwa eine
Stunde Vorsprung auf sie hatte, er wusste nun auch, dass sie ihn aufgespürt
hatten.
    Die ganze
Sache war von vornherein mysteriös gewesen. Eigentlich müsste Jahn schon längst
kalt und tot sein – und wenn das schon nicht, dann doch zumindest als
plappernder, hilfloser Idiot durch die arktische Welt stolpern. Aber nichts
davon war eingetreten: Hans Günther Jahn war quicklebendig und seiner Sinne
sehr wohl mächtig. Er musste irgendetwas gedreht haben, von dem sie bisher noch
nichts wussten. Er hatte einen gigantischen Deal platzen lassen und der großen
Sache, die ihn, Rutger, und die Kameraden umtrieb, immensen Schaden zugefügt.
Rutger ging es nicht um die verlorene Kohle, sondern um die gerechte Sache.
Jahrelang hatte Rutger an diesem Projekt gefeilt. Dafür hatte er gelitten,
gekämpft, betrogen und getötet. Und jetzt kam dieser kleine, durchtriebene,
arrogante Arsch daher und versaute ihnen alles. Der geheime Plan der Division
war von einem dahergelaufenen Deutschen vereitelt worden.
    Er hätte
damals besser gleich auf die Zwillinge hören sollen, vor allem Moritz hatte den
richtigen Riecher gehabt. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten sie Jahn schon
nach wenigen Tagen eine Kugel in den Kopf gejagt. Könnte er die Zeit noch
einmal zurückdrehen, würde er diesen Job liebend gern gleich selbst erledigen.
Aber jetzt war es zu spät, und das Schicksal hatte die Karten neu gemischt.
Jahn war am Drücker. Immerhin hatten sie noch mindestens einen Trumpf in der
Hand, von dem Jahn nichts zu wissen schien: Moritz. Aber inzwischen war Rutger
fast sowieso alles egal: Wenn Jahn nicht mit dem, was sie haben wollten,
herausrückte, dann würde er sterben müssen. Niemand bestahl Rutger Kesselring
und die Hammerskins. Niemand zerstörte ungestraft den großen Plan der Division
Hess. Aber noch war nichts verloren. Sie mussten ihn nur wieder in die Finger
kriegen.
    Seine
Gedankengänge wurden jäh unterbrochen, als die zurückgebliebenen Kameraden mit
einem Abschleppwagen nahten. Sofort stiegen die beiden in den Volvo, und
Sekunden später rasten vier glatzköpfige deutsche Hammerskins in dem
unbeschädigten Volvo Richtung Risør davon.
    Zur
gleichen Zeit stiegen Dag Moen und Sedat Yilmiz in der Altstadt von Risør aus
ihrem Jeep. Ihrem GPS -Gerät nach musste das
Zielobjekt weiter vorn in der Straße stehen. Sie verteilten sich auf beide
Straßenseiten. Bereits nach fünfzig Metern sahen sie den Nissan. Dag musterte
die Umgebung gründlich, bevor er sich an dem Wagen zu schaffen machte. Er hatte
keine Lust, unvorbereitet in eine Falle zu tappen. Doch seine Sorge war
unbegründet, er konnte nichts Verdächtiges entdecken.
    Das
Fahrzeug war fast leer, nur das Gewehr lag noch hinter den Sitzen. Weit konnte
Jahn jedenfalls nicht sein, so groß war Risør nicht. Sie würden sich trennen
müssen und die Augen aufsperren. Sedat würde in Sichtweite des Nissan bleiben,
während er selbst einen kleinen Streifzug durch die Stadt unternahm. Er
entsicherte seine Waffe und steckte sie hinter seinem Rücken in den Hosenbund.
Unter seiner Jacke war die Beretta unsichtbar. Er nickte Sedat zu und ging los.
Zuerst würde er sich den kleinen Hafen anschauen.
    Lagerfeld
erwachte mit einem gewaltigen Brummschädel. Die Erinnerung an das Vorgefallene
kehrte nur langsam und widerwillig zurück. Trotz heftigem Schwindel schaffte er
es, sich auf die Bettkante zu setzen.
    »Gut
geschlafen?«, meldete sich eine zarte Frauenstimme. Mühsam machte sich
Lagerfelds Blick auf den langen Weg von dem Bettvorleger vor seinen Füßen zu
der jungen Frau mit den langen braunen Haaren, die an einem Tisch neben ihm saß
und offensichtlich in einem Buch gelesen hatte.
    »Ich
mache dir erst einmal einen Kaffee«, kündigte sie an und legte das Buch auf die
Seite. Lagerfeld hielt das für eine verdammt gute Idee, musste allerdings
vorher noch dringend aufs stille Örtchen. Er konnte sich noch ungefähr
erinnern, wo das in dem Flugplatzgebäude untergebracht war, umschiffte aber den
direkten Weg zur Toilette in großzügig weiten Kurven. So ganz wollten ihm die
Beine noch nicht gehorchen. Den Toilettenaufenthalt nutzte er für eine
gründliche Bewertung seiner Lage. Bei Licht besehen stellte sie sich

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