Der Consul
nicht.«
Ich schaute mich um und sagte: »Sie haben Zeit. Machen Sie keine Fisimatenten. Also, wann ist es passiert?«
»Am Abend des 17. Februar, es war ein Freitag.«
»Geht’s genauer?«
»Gegen halb elf vielleicht.«
»Wo saß der Schaub?«
Er zeigte auf den Tisch, der dem Tresen am nächsten war. »Am Stammtisch.«
»Doch nicht allein.« Ich gab mich ungeduldig.
»Es saßen noch fünf Herren mit am Tisch. Die Namen habe ich Ihren Kollegen schon gesagt.« »Gut, gut.«
»Und was ist dann passiert?«
»Gegen halb elf, ich habe es ja schon gesagt, also, da kam ein Mann an den Tisch .«
»Der war vorher nicht im Saal?«
»Nein, der kam von draußen. Er hatte es eilig, ging zum Stammtisch, tippte dem Schaub auf die Schulter und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Schaub ist aufgesprungen und mit dem Mann rausgegangen. Nach einigen Minuten kam einer rein und rief: >Draußen liegt eine Leiche, ruf die Polizei!< Der hatte die Leiche vom Schaub gefunden.«
»Haben Sie sich den Schaub angeschaut?«
»Ich habe erst die Polizei angerufen, dann bin ich raus. Er hatte einen Stich ins Herz, einen einzigen nur. In der Zeitung hab ich gelesen, er war sofort tot. Aber das wissen Sie ja.«
»Kannten Sie den Schaub?«
»Ja, aber nicht so gut. Wusste, er war ein Freund vom Hitler. Aber er hat nicht angegeben damit.«
»Können Sie den Mann beschreiben, der Schaub rausgeholt hat?«
»Habe ich doch .«
»Mann, reden Sie nicht herum! Man könnte ja denken, Sie wollten den Kerl decken. Soll ich Sie einbuchten?« Das Pärchen in der Ecke schaute zu uns.
Seine Lider zitterten. »Es war ein drahtiger Typ, ein Haarschnitt, als hätte ihm jemand einen Topf auf den Kopf gesetzt und alles Überstehende abrasiert. Hageres Gesicht, irgendwie soldatisch. Sah aus wie ein ehemaliger Boxer.«
»Und Schaub hat ihn gekannt?«
»Weiß nicht. Die haben was getuschelt, dann sind sie zusammen rausgegangen.« »Hat den Kerl noch jemand gesehen?«
»Die Anni, die hilft mir abends. Aber die hat nicht mehr gesehen als ich.«
Ich stand auf und ging.
Ein Taxi brachte mich zur Rosenheimer Straße. Es war die dritte Klingel von oben. Ich musste nicht lange warten, dann stand eine kleine Frau mit einem verhärmten Gesicht und einer verwaschenen geblümten Schürze in der Tür. Sie musterte mich misstrauisch, kniff die Augen dabei halb zu.
»Ja?«
»Ich suche Herrn Brückner.«
»Was wollen Sie von ihm?«
»Ich will ihn etwas fragen.«
»Was?«
»Was er in der Nacht gehört oder gesehen hat, als Hitler ermordet wurde.«
»Sind Sie von der Polizei?«
Ich überlegte kurz. »Nein. Ich suche den Mörder des Führers.«
»Partei?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe mit Emil Maurice gesprochen. Rufen Sie ihn an.«
Die Frau schlug mir die Tür vor der Nase zu. Ich wartete. Nach ein paar Minuten kam sie zurück. Sie guckte freundlicher, noch wirkte meine Lüge bei Maurice. »Kommen Sie hoch.«
Sie führte mich ins Wohnzimmer und bot mir einen Platz an.
»Wo ist Ihr Mann?«
»Ich weiß es nicht. Wirklich.«
»Hat er Sie mal angerufen?« »Manchmal.«
»Wenn er das nächste Mal anruft, sagen Sie ihm bitte, ein Herr Friedershof möchte ihn sprechen. Er kann bestimmen, wann und wo.«
»Friedershof, komischer Name.«
»Er ist falsch.«
Sie hob die Achseln und ließ sie wieder fallen. »Es ist alles falsch.«
»Hat er Ihnen etwas erzählt über diese Nacht im Elephant.«
Ihre Augen weiteten sich kurz, sie waren grün. Dann schüttelte sie heftig den Kopf. Sie log. Ich war zu lange Polizist gewesen, um es zu übersehen. Kurz überlegte ich, ob ich sie in die Mangel nehmen sollte. Aber dann würde ich an Brückner nie herankommen.
»Hat schon jemand nach Ihrem Mann gefragt?«
Sie nickte.
»So Mitte Februar?«
Sie dachte nach, dann nickte sie wieder.
»Können Sie den Mann beschreiben?«
»Er war hager, aber nicht schwach. Hatte ein hartes Gesicht, mit Narben. Kurze Haare, so ein Rundschnitt, oder wie man das nennt.«
»Und die Nase?«
Sie nickte. »Die war platt.«
»Er fragte nach Ihrem Mann?«
»Der war in der Stadt. Als ich ihm erzählte, dass jemand nach ihm gefragt hat, hat er den Koffer gepackt.«
Ich schrieb meine Telefonnummer auf einen Zettel. »Bitten Sie Ihren Mann, mich anzurufen. Es ist wichtig, auch für ihn.«
Als ich auf der Straße war, stand sie am Fenster und schaute mir nach.
Ich nahm die Straßenbahn zum Hauptbahnhof und suchte mir einen Zug heraus. Nach Berlin ging heute keiner mehr. Ich hatte mehr
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