Der Consul
Zettel hatte ich notiert, dass Emil Maurice, den Hitler aus Eifersucht gefeuert hatte, am Scheidplatz im Münchener Norden wohnte. Hoffentlich stimmten die Adressen noch.
Ich fuhr zum Bahnhof Friedrichstraße, erkundigte mich nach einer Verbindung und kaufte eine Fahrkarte dritter Klasse. Der Zug fuhr kurz nach acht Uhr am nächsten Morgen los und würde am späten Abend in München eintreffen.
Ich ging früh ins Bett, schlief aber nicht ein. Zweifel meldeten sich. Wenn Maurice Hitler aus Rache umgebracht hatte, musste ihn jemand gesehen haben. Es sei denn, er kannte einen Hintereingang oder hatte unglaubliches Glück. Sofia hatte nichts von einem Unbekannten gesagt, Leutbold auch nicht. Göring kannte Maurice, welchen Grund hätte er haben sollen, dessen Anwesenheit zu verschweigen? Ich würde nach München fahren, auch wenn ich ahnte, es würde umsonst sein. Plötzlich spürte ich ein altbekanntes Ziehen im Unterleib, die Angst vor einem Geschwür meldete sich zurück. Fleischer hatte mich als Hypochonder verlacht, Erika mich als solchen beschimpft. In der Zeit des Suffs war die Angst nicht aufgetaucht. Ich grinste, ich war wieder der Alte.
*
Am Morgen riss mich der Wecker aus dem Schlaf. Ich fühlte mich zerschlagen. Nach einem kurzen Frühstück packte ich eine Reisetasche und fuhr zum Bahnhof Friedrichstraße. Ich fand einen Parkplatz für den Opel und ein leeres Abteil im Zug. Die Sitzbank war hart. Die Zeit bis München schlug ich tot, indem ich Zeitung las und döste. Als der Zug am Münchener Hauptbahnhof ankam, taten mir die Knochen weh. Ich übernachtete in einer billigen Pension am Bahnhof. In dieser Nacht schlief ich gut trotz des Lärms, der von den Gleisen ins Zimmer drang. Ich verzichtete auf ein Frühstück, der Speiseraum sah aus, als klebte alles vor Dreck.
Emil Maurice wohnte in einem Mietshaus im Münchener Norden, ein Taxi brachte mich hin. Ich hatte nicht damit gerechnet, ihn zu Hause anzutreffen. Aber nach dem ersten Klingeln öffnete sich die Wohnungstür im zweiten Stock. Er hatte eine hagere Landsknechtvisage mit einer scharfkantigen Nase, darunter die Kopie des Hitler-Barts. Maurice trug eine Bundlederhose mit Hosenträger und ein kragenloses fleckiges weißes Hemd. Ich sagte, ich käme vom preußischen Landeskriminalpolizeiamt in Berlin, er schien beeindruckt und ließ mich hinein. An der Garderobe in der engen Diele hing ein brauner
Mantel mit Hakenkreuzbinde am Ärmel. Auf einer Kommode lag ein Pistolenhalfter, der Griff ragte heraus. Maurice bat mich in einen Raum, der offenbar als Wohn- und Schlafzimmer diente. Ein Sofa stand dort und zwei durchgesessene Sessel, bortenüberladen. Wir setzten uns.
Er sprach laut. »So, so, von der Polizei sind Sie. Wollen den Tod vom Führer aufklären. Ich dachte, es war die Kommune. Stand jedenfalls im VB. «
»Herr Maurice, es ist eine Art verdeckte Ermittlung. Wir wollen alle Zweifel ausschließen.«
»Dann sind Sie hier im Geheimauftrag?«
»Man kann es so nennen. Die Münchener Polizei weiß nichts davon, und sie sollte auch nichts erfahren. Wir wollen nicht, dass neuer Wirbel entsteht. Der würde nur der Kommune nutzen. Sie verstehen?«
Er nickte bedächtig.
An der Wand hing ein großes Hitler-Porträt, daneben das Bild einer Frau, nicht hässlich, halblange dunkle Haare, ein rundliches Gesicht.
»Wer ist die Dame, wenn ich fragen darf?«
»Geli, das ist Geli Raubal. Die Nichte des Führers.«
Jetzt erinnerte ich mich, Geli Raubal hatte sich im September 1931 umgebracht. Die Zeitungen waren voll davon gewesen. Alle Welt spekulierte damals, ob Hitler mitgestrickt hatte am Selbstmord.
Ich legte Verständnis in meine Stimme, obwohl der Mann mich anwiderte. »Ich habe gehört, Sie haben wegen ihr Ihre Stellung als Hitlers Chauffeur verloren.«
Er starrte auf das Porträt. »Ja, da hat der Adolf danebengelegen. Ich habe nur ein bisschen gescherzt mit ihr. Aber er war so eifersüchtig.«
»Hatten Sie Streit mit ihm?«
Er schaute mich trüb an. »Ja, leider. Es war überflüssig. Es war doch nichts.« Es klang so, als wollte er sich immer noch verteidigen.
»Und nach dem Tod von Fräulein Raubal?«
»Er hat damals nicht mit mir geredet. Aber in der Partei hat es mir nicht geschadet. Und kurz vor seinem Tod haben wir wieder miteinander gesprochen. Adolf wusste, ich war sein treuster Helfer. Über manchen anderen, der heute eine dicke Lippe riskiert, hat er nur gelacht.«
»Göring?«:
»Nein, über den hat er sich manchmal
Weitere Kostenlose Bücher