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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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als zwei Stunden Zeit, bis ein Zug nach Frankfurt am Main abfuhr. Dort musste ich übernachten. Hauptsache, ich verschwand schnell aus München, möglicherweise schaltete Maurice rascher, als ich ihm zutraute. Ich setzte mich in die Bahnhofsgaststätte und aß eine Wurst mit Kartoffelsalat. Dazu trank ich ein dünnes Bier. Mir ging die Personenbeschreibung nicht aus dem Kopf. Drahtiger Typ, soldatisch, Boxernase. Ich hielt mir alle Leute vor Augen, die ich kennengelernt hatte bei meinen Ermittlungen. Dann fiel es mir ein. Ich legte Gabel und Messer auf den Teller, schloss die Augen und rief mir die Situation ins Gedächtnis. Es war, als ich Olendorff aufgesucht hatte. Der Mann, der in München Schaub und wohl nicht nur ihn getötet hatte, hieß Koletzke. Er war Olendorffs Fahrer und noch mehr. Ich konnte danebenliegen, aber je länger ich nachdachte, desto klarer stand mir vor Augen, dass ich mich auf Koletzke festlegen musste. Wäre ich noch im Dienst gewesen, dann hätte ich lediglich von einer wichtigen Spur gesprochen. Aber ich war nicht mehr im Dienst. Ich war auf mich allein gestellt. Also sagte ich mir: Schaubs Mörder hieß Koletzke, und Koletzke hatte nicht aus eigenem Antrieb gemordet, sondern in Olendorffs Auftrag. Und warum? Weil Olendorff Hitler ermordet hatte und Röhm und Goebbels und Strasser? Die Vorstellung erschien mir absurd. Hatte Koletzke die Morde begangen? Auf Olendorffs Befehl? Wenn ja, warum?
    Es hatte keinen Sinn, nach Gründen zu fragen. Koletzke hatte mögliche Zeugen des Hitler-Mords beseitigt, und er war auf Brückners Fährte. Koletzke war meine wichtigste Spur. Wenn sie ins Leere führte, war ich aufgeschmissen. Ich konnte nicht pausenlos im Hinterhof der Mächtigen herumkläffen, ohne sie aufzuschrecken. Es war ohnehin nur eine Frage der Zeit, wann
    ich ihnen vor die Flinte lief.
    *
    Als ich am folgenden Tag nach Hause kam, lag eine Ansichtskarte in meinem Briefkasten. Es ist schön hier. S. Die gleiche Schrift wie auf der letzten Karte. Und wieder ein Stich in der Brust. Im ersten Impuls wollte ich die Karte zerreißen, dann legte ich sie auf den Küchentisch, wo auch die erste gelegen hatte. Ich kam mir vor, als beobachtete ich mich bei einer kultischen Handlung.
    Am Abend klingelte es an der Tür.
    Es war Wohlfeld. »Oh, guten Tag, Herr Soetting. Ich hatte es gestern schon versucht, aber da waren Sie nicht da.«
    Ich bat ihn herein. Wir setzten uns ins Wohnzimmer. Wohlfeld gab mir einen Briefumschlag, darin steckte ein Zettel mit einer Notiz, die ich mir für den Fall Tatjana Bierbach gemacht hatte. Eine Tochter hatte ihre Mutter erschlagen. Der Fall war abgeschlossen, die Notiz nutzlos. Ich bedankte mich. Wenn Wohlfeld gegangen war, würde ich sie in den Papierkorb werfen. Er hatte einen schlechten Vorwand gewählt. Aber es war gut, dass er kam. »Kennen Sie einen Horst Koletzke?« fragte ich.
    Wohlfeld schaute mich neugierig an. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Wer ist das?«
    »Ist nicht so wichtig.«
    Wohlfeld betrachtete mich eine Weile. »Hat der was zu tun mit Ihrem letzten Fall?«
    »Der ist mir zuletzt übel aufgefallen. Ist der Fahrer von Olendorff.«
    »Da wäre ich an Ihrer Stelle vorsichtig. Olendorff ist ein mächtiger Mann, er hat auch in der SA was zu sagen.«
    »Das wusste ich noch nicht.«
    »Herr Soetting, lassen Sie die Finger von SA-Leuten. Die machen Sie fertig.«
    »Ich dachte, vor so etwas schützt einen die Polizei.«
    »Der Führer der SA ist preußischer Ministerpräsident und Innenminister. Gerüchteweise hört man, er wolle seinen neuen Adlatus Himmler zum Chef der Polizei machen. Der leitet so eine SA-Unterabteilung namens SS, Hitlers ehemalige Leibwächter. Ich würde mir nicht so viel versprechen von der Polizei.«
    »Und wie kommen Sie klar?«
    »Solange es nicht politisch wird, geht es. In mancher Hinsicht soll es besser werden als früher. Wir bekommen mehr Rechte, die Gewohnheitsverbrecher sollen bald scharf angepackt werden.«
    »Das haben wir immer gefordert«, sagte ich. Und überlegte, ob es richtig gewesen war. »Wenn der Staat sich mehr Rechte nimmt, wird das Recht nicht gestärkt.«
    Wohlfeld verstand mich nicht. Ich winkte ab, verstand ich es doch selbst nicht ganz. Und warum sollte ich mit Wohlfeld diskutieren? Der Mann hatte Frau und Kind. Und schließlich, das Verbrechen musste bekämpft werden, egal wer herrschte.
    »Versteh ich es richtig, Herr Soetting, Sie ermitteln weiter?«
    »Nein, Wohlfeld. Ein geschasster Kommissar kommt nur

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