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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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war aber nah genug, um nicht einfach abgeschüttelt zu werden. Es kam mir vor wie die Neuauflage der Verfolgungsjagd mit Koletzke, nur waren die Rollen diesmal anders verteilt. Ich begann mit meinem Verfolger zu spielen. Mal fuhr ich in Seiten-Straßen, dann gab ich Gas, zweimal hielt ich und tat so, als wollte ich aussteigen. Der Mann hinter mir ließ sich nicht beirren. Er musste längst gemerkt haben, dass seine Beschattung mir nicht verborgen geblieben war. Dann wurde mir das Spiel zu dumm. Mit einer Klette am Körper konnte ich Olendorff nicht auf die Pelle rücken.
    In Lichtenberg bremste ich hart vor einer Kneipe, sie hieß Havel-Schenke. Die Kneipe war leer, bis auf den Wirt, der hinter dem Tresen Zeitung las. Ich setzte mich an einen Tisch am Fenster und bestellte einen Kaffee. Der Wirt brachte ihn, kassierte gleich und setzte sich wieder hinter den Tresen. Es stank nach billigem Tabak. Ich zündete mir eine Zigarette an und schaute mich um. Zu den Toiletten, stand auf einem Schild an der Wand. Ich folgte dem Pfeil und stieß auf zwei Türen. Eine Tür führte zu den Toiletten, die andere auf den Hinterhof. Ich ging über den Hof in den Hintereingang des Hauses schräg gegenüber und verließ es durch den Haupteingang. Ich brauchte einen Moment, um mich zu orientieren, dann ging ich nach rechts zur nächsten Straßenecke und schaute vorsichtig um die Ecke. Der DKW stand wenige Meter vor mir am Straßenrand, der Fahrer saß hinter dem Steuer. Vor dem DKW stand in einigem Abstand mein Laubfrosch.
    Ich rannte auf den DKW zu und hoffte, der Fahrer würde nicht ausgerechnet jetzt in den Rückspiegel schauen. Aber er bewegte sich nicht, hatte die Tür der Havel-Schenke im Blick. Ich riss die Tür zum Fond des DKW auf und drückte dem Fahrer den Lauf meiner Luger ins Genick. Er zuckte zusammen, dann erstarrte er. Ich schloss die Tür und setzte mich. Dann nahm ich die Pistole in die linke Hand und beugte mich vor. Ich tastete den Mann ab, er atmete heftig. Unter dem linken Arm trug er ein Revolverhalfter. Ich nahm die Waffe an mich. In der Innentasche seines Jacketts fand ich eine Brieftasche. Ich klappte sie einhändig auf und entdeckte auf den ersten Blick nur ein paar Geldscheine und einen Ausweis der Berliner Armaturenwerke. Ich steckte die Brieftasche ein.
    »Dann fahren wir mal«, sagte ich.
    »Wohin?«, fragte der Mann. In seiner Stimme lag Angst.
    »Ins Grüne«, sagte ich. »Zum Müggelsee, erst Richtung Köpenick, dann nach Friedrichshagen.«
    Der Mann setzte an zu einer Frage, aber er sagte nichts. Ich drückte ihm kräftig die Pistole in die Niere, von außen war die Waffe nicht zu sehen. Wir fuhren einige Zeit schweigend. Dann fragte ich: »Wie heißen Sie?«
    »Engert, Harald Engert.«
    »Für wen arbeiten Sie?«
    »Für Herrn Dr. Olendorff.«
    »Dann sind Sie ja ein Kollege von dem netten Herrn Koletzke.«
    Er nickte.
    »Dann nehme ich an, dass wir uns schon kennen.«
    Er antwortete nicht.
    Ich erinnerte mich daran, wie Engert und Koletzke mich verprügelt hatten im Keller des Mietshauses, das einem Hartmut Plack gehörte.
    »Kennen Sie den Herrn Plack?«
    Es dauerte, bis er verstand. »Nein, nicht gut.«
    »Nicht oder nicht gut?«
    »Nicht gut.«
    Wir fuhren durch Lichtenberg, und ich fragte mich, was ich mit Engert machen sollte. Ließ ich ihn laufen, hatte ich Olendorff und Kameraden erst recht im Nacken, und nicht nur die. Das Vernünftigste wäre, Engert zu töten und seine Leiche weit draußen auf dem Land zu verstecken. Aber konnte ich ihn einfach umbringen? Ich wusste es nicht. Im Krieg hatte ich es getan, nur beim ersten Mal hatte es mir etwas ausgemacht, als der tote Engländer vor mir im Graben lag, auf der Brust einen roten Fleck, mit Blut auf den Lippen, die etwas Unverständliches murmelten. Danach war mir das Töten immer mehr zur Arbeit geworden. Aber der Krieg war aus, jedenfalls das, was die meisten darunter verstanden.
    »Wer ist Plack?«
    »Ein Kriegskamerad.«
    »Von Ihnen?«
    »Von Dr. Olendorff.«
    »Und nach dem Krieg?«
    »Weiß nicht.«
    Ich stieß ihm den Lauf der Luger hart in die Seite. Engert stöhnte auf, der Wagen schleuderte leicht. »Schön vorsichtig fahren, vielleicht überleben dann ja wir beide.«
    Er drehte sich zum ersten Mal um. Er verstand nicht, was ich sagte.
    »Also noch mal, nach dem Krieg, was war da?«
    »Weiß nicht.«
    »Haben Sie Plack nach dem Krieg in Olendorffs Haus gesehen?«
    Er antwortete nicht.
    »Biegen Sie da vorne rechts ab.«

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