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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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ich ein Irrer. »Eine Wumme?«
    Ich nickte.
    »Sie zieht es wirklich nach Plötzensee. Nein, ich habe keine Wumme. Und schon gar keine, die ich Ihnen geben könnte. Die neue Regierung hat eine Verordnung erlassen, auf unerlaubten Waffenbesitz steht die Todesstrafe. Wissen Sie das nicht?«
    »Doch, doch«, log ich. Ich hatte es nicht mitbekommen. »Gut, dann werde ich es mal bei Erna Klump versuchen.« Ich stand auf. »Danke, Kowalski.«
    »Wenn es hilft«, sagte Kowalski.
    Der Wirt schloss mir die Tür auf. Draußen hing inzwischen ein Schild: Privatfeier.
    Als ich zum Auto zurückkam, war der Kofferraum aufgebrochen und mein Gepäck verschwunden. Ich stieg fluchend in den Laubfrosch und fuhr nach Norden. Als ich durch Oranienburg kam, fiel mir eine kleine Meldung ein, die ich in einer Zeitung gelesen hatte. Hier gab es ein Lager, in dem Görings SA politische Gegner umerzog. Ich stellte mir vor, was das für eine Umerziehung war, wenn kaum des Deutschen mächtige Schläger auf ihre Feinde losgelassen wurden.
    Als im Scheinwerferlicht ein Wegweiser nach Zehdenick erschien, fuhr ich langsamer. Ich erkannte einen Waldweg und ließ den Laubfrosch hineinrumpeln. Sobald der Wagen von der Straße aus nicht mehr zu sehen war, stellte ich den Motor aus und lehnte mich zurück. Ich öffnete das Fenster auf der Beifahrerseite und schloss die Augen. Müdigkeit ergriff mich, aber ich konnte lange nicht schlafen. Ich versuchte mich zu konzentrieren. Das Wichtigste war eine einigermaßen sichere Bleibe. Wenn ich sie hatte, konnte ich beginnen, was ich mir vorgenommen hatte. Es war mehr eine Ahnung als ein Plan. Aber etwas Besseres hatte ich nicht. Bevor ich doch einschlief, versuchte ich mir, Sofias Gesicht vorzustellen. Das Bild verschwamm, bevor es entstand.
    *
    Die Sonne weckte mich. Ein paar Strahlen leuchteten durch die Baumwipfel in das Auto. Ich streckte mich und versuchte, die Müdigkeit abzuschütteln. Die Glieder schmerzten. Ich stieg aus dem Auto und ging ein paar Schritte im nassen Gras. Der Waldboden war weich. Der Tau nässte meine Schuhe. Es war kalt. Ich ging ein Stück in den Wald hinein. Stille. An den Blättern glänzten Tropfen. Ich sehnte mich nach Ruhe, nach einem Ende des Wahns, in dem ich lebte. Es gab nichts, was mich antrieb, außer der Idee, dass da noch eine unbeglichene Rechnung war. Warum lässt du nicht alles sausen und wanderst aus? Was geht dich das alles noch an? Was kannst du ändern? Wenn du Olendorff überführst, haben sie dich am Wickel. Du gibst den einsamen Rächer in einem Stück, in dem andere Regie führen. Ich stellte mir vor, im Ausland zu leben, in Frankreich oder in Amerika. Was kannst du dort tun? Ich mühte mich um eine Antwort. Geschäftsmann, Privatdetektiv, Kriminalreporter. Aber ich sprach weder Englisch noch Französisch und bildete mir nicht ein, es jemals zu beherrschen. Überhaupt, was sollte ich dort außer vegetieren? Und Sofia?
    Ich ging zurück zum Auto, setzte mich auf den Fahrersitz und schaute auf meine Armbanduhr. Es war kurz nach sieben Uhr. Keine schlechte Zeit, um jemanden zu überraschen. Ich fuhr in den Ort hinein. Nur wenige Leute waren unterwegs. Viele saßen beim Frühstück, andere schliefen noch. Als ich das Schild einer Bäckerei sah, hielt ich an. Ich betrat den Laden und stellte mich neben einen jungen Mann, der ein Brot kaufte. Die Verkäuferin war eine großgewachsene Frau, die älter aussah, als sie war. Als der junge Mann das Brot in einer ledernen Aktentasche verstaut und den Laden verlassen hatte, fragte ich nach Erna Klump. Die Verkäuferin schaute mich abwehrend an, dann zeigte sie mit der ausgestreckten Hand die Fahrtrichtung und sagte mit schriller Stimme: »Erste Straße rechts, drittes Haus links. Ob die allerdings schon aufgestanden ist?« Sie schnaufte leise, drehte sich um und verschwand hinter einem Vorhang.
    Ich folgte der Wegbeschreibung und gelangte zu einem dunkelbraun verputzten einstöckigen Haus. Aus dem Schornstein qualmte es. Ich parkte direkt vor dem Haus, öffnete das Tor und klopfte gegen die Haustür. Es bewegte sich nichts. Ich klopfte kräftiger. Ein Schlurfen näherte sich, dann wurde am Schloss hantiert, und die Tür öffnete sich.
    Eine Frau nicht ganz in meinem Alter starrte mich an. Sie hatte gerötete Augen, blondgefärbte Haare, war ungekämmt und trug einen Morgenmantel. Die Augen schienen viel gesehen zu haben, sie waren kalt und konzentriert. Sie nahm die Zigarette aus dem Mundwinkel und sagte: »Ja?« Ihre

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