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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Flurs funkelten ihre roten Haare. »Und was macht die Gesundheit? Welche Krankheiten bilden wir uns zur Zeit ein?« Sie genoss es, und ich verfluchte mich.
    »Kann ich reinkommen?«
    »Wenn du freundlich darum bittest.«
    Ich hob den Koffer wieder an und drehte mich um.
    »Bleib, du Dummkopf«, sagte sie. »Gönn mir meine Freude.«
    Ich drehte mich wieder um. Sie trat zurück in den Flur und winkte mich hinein. Als ich den Koffer vor der Garderobe abstellte, fiel mir ein, ich hatte sie nie besucht. Wir hatten uns nur bei mir getroffen. Ich überlegte, wer dafür gesorgt hatte.
    »Du warst noch nie hier«, sagte sie, als hätte sie meine Gedanken erraten. »Das ist aber nicht meine Schuld.«
    »Gewiss«, sagte ich. Es war mir egal. Als ich mich im Hausflur umsah, war es mir nicht mehr egal. Ich wäre erstickt in Barock und Nippes.
    Sie ging mir voraus ins Wohnzimmer, machte ein paar Schritte hinein, dann drehte sie sich um und sagte: »Willkommen!« Sie breitete die Arme aus, schloss die Augen und formte einen Kussmund.
    Ich lief in den Flur hinaus, nahm meinen Koffer und ging. Im Augenwinkel sah ich sie im Türrahmen stehen. Sie sagte kein Wort. Lieber nach Plötzensee, dachte ich und musste grinsen. Ich überlegte, was ich an ihr gemocht hatte, und kam mir vor, als wäre ich vor kurzem noch ein Mensch gewesen, den ich nicht verstand.
    Während ich meinen Koffer zum Auto schleppte, arbeitete mein Hirn. Dann fiel mir Kowalski ein. Ich hatte ihn kennengelernt, als ich beim Einbruch arbeitete. Kowalski wohnte damals irgendwo im Wedding. Ich hatte ihn Oskar genannt, weil er so aussah wie Oskar, aber er lachte immer und sagte: »Ich heiße Georg, Herr Kommissar.« Es schmeichelte mir ein bisschen, wenn er mich Kommissar nannte, das wurde ich erst später. Dass mir Kowalski in den Sinn kam, zeigte, wie aussichtslos meine Lage war. Allerdings würde mich niemand bei Kowalski suchen. Wenn er nicht gerade einsaß. Wenn er mitmachte. Wenn er mich nicht verpfiff.
    Ich fuhr zum Stettiner Bahnhof. In der Kneipe dort hatte er sich meistens herumgetrieben, wenn er nicht im Gefängnis war oder in einem Nobelviertel auf Tour ging. Die Bahnhofsuhr zeigte Mitternacht, die Gaststätte war noch geöffnet. Es stank nach Rauch und Bier. Acht, neun Männer standen am Tresen. Ich stellte mich daneben, bestellte ein Bier, dann sprach ich meinen Nachbar an, einen großen, fetten Mann mit Schweinebacken: »Kennen Sie einen Georg Kowalski?«
    »Wer sind Sie denn?«
    »Ein Freund.«
    Er musterte mich von oben nach unten und wieder zurück. Dann schaute er mich böse an. »Wusste nicht, dass der Kowalski Freunde bei der Polizei hat.«
    »Ich bin nicht von der Polizei.«
    »Und warum riechen Sie dann so?« Er kam mir nahe, sein Gesicht war wenige Zentimeter vor meinem. Sein Atem stank nach Bier, Tabak und Fäulnis.
    »Vielleicht, weil ich mal bei der Polizei war.«
    Er staunte. Er konnte es sich wohl nicht vorstellen, dass man mal bei der Polizei war. Einmal Greifer, immer Greifer.
    »Und was wollen Sie von Kowalski?«
    »Das sag ich ihm selbst.«
    Der Fettsack nickte bedächtig. Die Antwort schien ihm einzuleuchten.
    Da trat ein anderer neben ihn, stämmig, breites Gesicht und Augen, die glänzten vor Hass. »Ich habe alles gehört!« brüllte er. »Egon, lass dich nicht mit dem Spitzel ein. Der dreht ein krummes Ding!«
    Die anderen Männer kamen näher. Im Rücken hatte ich den Tresen, vor mir standen die Kerle. »Hau ab, du Schwein!« rief einer. »Habt wohl noch nicht genug Politische eingesperrt!« Ein Kleiner kreischte mit sich üb erschlagender Stimme: »Da könnt ihr machen, was ihr wollt, im Wedding regiert die KPD!«
    Ich hatte den Schlag nicht kommen sehen. Er traf mich am Hals. Ich riss die Arme hoch. Ein zweiter Schlag erwischte mich im Magen. Mir blieb die Luft weg. Der dritte Schlag warf mich zu Boden.
    »Hört auf!« rief einer. »Wenn jemand die Schupos ruft, sind wir dran!«
    Die Männer traten zurück. Ein Mann mit einer tiefen Narbe auf der Glatze und einem mächtigen Schnauzbart beugte sich zu mir herunter. Ich hatte ihn noch nicht gesehen. Er reichte mir die Hand. »War alles nur ein Missverständnis. Die Jungs sind sauer, war viel los in letzter Zeit. Eine Razzia nach der anderen.«
    Ich stand auf, es schmerzte. »Gib dem Mann einen Korn, einen doppelten«, sagte der Glatzkopf zum Wirt. Der stellte das Glas auf den Tresen. Ich trank es in einem Zug aus.
    »Nicht schlecht«, sagte der Glatzkopf.
    Ich klopfte meine Kleidung

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