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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Stimme war scharf und verriet kein Erstaunen.
    »Kowalski schickt mich, guten Morgen.«
    Sie schloss kurz die Augen, dann lachte sie trocken. »Dieser Dreckskerl schickt dich.«
    »Ja.«
    »Und weshalb?«
    »Darf ich vielleicht einen Augenblick hereinkommen?«
    »Du läufst vor jemandem davon«, sagte Erna Klump. Sie rollte das R.
    »Hoffentlich nicht vor der Polizei. Na, dann komm mal rein. Aber keine Fisimatenten, klar!« Sie führte mich in die Küche, es roch nach Bohnenkaffee. »Na, dann setz dich mal!« Sie nahm eine Tasse aus einer Glasvitrine an der Wand und stellte sie vor mich. Sie goss Kaffee ein, dann schaute sie mich streng an. »Nun aber genug der Freundlichkeit, vor wem läufst du davon?«
    »Das ist eine lange Geschichte«, sagte ich und überlegte, was ich ihr erzählen sollte.
    »Klar, seh ich aus wie eine, die keine Zeit hat?« erwiderte sie.
    »Hinter mir ist einer her.«
    »Das weiß ich schon.«
    »Also, es ist der Mann einer Frau.«
    Sie schaute mich lange an, dann grinste sie. »Du siehst nicht aus wie Casanova, und du bist auch keiner. Aber klar, das kann jedem mal passieren. Sogar so einem wie dir.« Sie holte eine Schachtel Chesterfield aus der Tasche ihres Morgenmantels und zündete sich eine Zigarette an, dann hielt sie mir die Packung hin. »Nimm eine«, sagte sie. Sie konnte sich nicht nur Bohnenkaffee leisten, sondern auch amerikanische Zigaretten. Sie atmete den Rauch genüsslich ein und ließ ihn in Wölkchen aus dem Mund aufsteigen. Ich suchte in meiner Jackettasche nach Streichhölzern. Sie schob ein Feuerzeug über den Tisch, es war aus Gold und mit glitzernden Steinen verziert. »Schön, du hast was gehabt mit einer verheirateten Frau. Und?«
    »Der Mann ist ein hohes Tier, der hat seine Schläger auf mich gehetzt.«
    »Aha, und wie kommst du auf Kowalski?«
    »Dem hab ich das erzählt und ihn gefragt, ob er jemanden kennt, bei dem ich eine Weile untertauchen kann.«
    Sie lachte scheppernd und laut. »Und der Hund hat dir gesagt, die liebe Erna wartet nur darauf, jemanden zu verstecken, den ein wilder Stier jagt.«
    »So nicht.«
    Sie winkte ab mit beiden Händen. »Ich kann’s mir vorstellen. Schon gut. Brauchst nicht weiterzuerzählen, meine letzte Märchenstunde war vor dreißig Jahren. Mich wundert nur, dass so einer wie der Kowalski so einen wie dich kennt. Siehst nicht aus wie ein kleiner Ganove. Aber vielleicht bist du ja ein großer.« Sie musterte mich. »Irgendwie glaub ich, ich hab dich schon mal gesehen. Na ja, ich hab oben ein Zimmer, kostet zehn Mark die Nacht, mit Frühstück. Wenn ein Greifer nach dir fragt, werd ich dich verpfeifen. Klar?«
    Ich nickte.
    »Dann komm mal mit.«
    Ich stand auf und folgte ihr.
    »Ach ja, nicht mal Gepäck dabei, der Herr.«
    »Frau Klump, ob Sie mir Kleidung besorgen könnten, ganz einfache, Hose, Hemd, Jacke, Unterwäsche?«
    »Auch das noch.«
    Ich zog mein Portemonnaie aus der Gesäßtasche und gab ihr hundert Reichsmark. Sie machte große Augen. »Der Rest ist eine Vorauszahlung fürs Zimmer. Meine Wäschegrößen habe ich allerdings nicht im Kopf.«
    »Aber ich«, sagte sie. Sie lachte.
    Sie führte mich in eine Kammer im Dachboden. Ich konnte nur an der höchsten Stelle des Raums stehen. In der Kammer befanden sich ein Bett und ein Stuhl, mehr hätte auch nicht hineingepasst.
    »Waschen kannst du dich in der Küche. Keine Angst, ich guck auch nicht. Klo ist auf dem Hof. Nenn mich Erna.« Wieder lachte sie. »Ich wollte heute nachmittag sowieso nach Eberswalde, da kann ich das Zeug besorgen.« Sie schüttelte den Kopf und ging.
    Ich legte mich aufs Bett und überlegte, was Erna mit Kowalski zu tun gehabt haben könnte. Wie ein Zuhälter war er mir nicht vorgekommen, ich zweifelte aber nicht, dass sie eine Hure gewesen war. Ich wachte auf, als es an der Tür klopfte. Sie öffnete sich, und Erna stand in der Kammer. Sie hatte Kleidungsstücke in der Hand. »Jetzt kannst du eine Modeschau machen«, lachte sie. »Den Schönheitsschlaf hast du ja schon hinter dich gebracht.«
    Ich erhob mich, sie warf die Kleidungsstücke aufs Bett. »Zieh dich an, hübscher warst du nie.« Sie lachte, schloss die Tür und stieg die Treppe hinunter.
    Sie hatte an alles gedacht, sogar an Kamm und Zahnbürste.
    Ich fühlte mich wie neugeboren, als ich mich in der Küche gewaschen und die neue Kleidung angezogen hatte. Es passte alles. Erna war aus dem Haus gegangen und hatte mir Brot, Käse und Tee hinterlassen. Ich aß und dachte nach, ob mir etwas

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