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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Engelbrecht hätte es gewusst, aber der war ja im richtigen Dezernat. Übrigens, haben Sie schon gehört, der Engelbrecht hat sich reaktivieren lassen?« Es klang so hochgestochen wie verächtlich. »Der hat gesagt, unter der neuen Regierung lacht des Kriminalisten Herz. War ja immer ein Dichter, der Engelbrecht. Zu Ihrer Frage: Haben Sie mal was von Ringvereinen gehört?«
    »Klar, in denen tun sich Berliner Ganoven zusammen.«
    Er rümpfte die Nase. »Aber nur die, die was auf sich halten. Die eine Ehre haben. Mörder gehören nicht dazu. Unser Verein nennt sich Immertreu. Da sind nur anständige Leute drin, sagt doch schon der Name. Solche wie der Kowalski. Nicht wahr, Kowalski?«
    Kowalski nickte.
    »Wir besuchen vielleicht hin und wieder reiche Leute und erheben Steuern für die Armen. Was soll man machen bei so vielen Arbeitslosen.« Er lachte. »Wir helfen nach, wo der Staat versagt. Wir hassen diese neue Regierung, es ist eine Bande von Betrügern und Ausbeutern. Sie sagt, wir seien ihr natürlicher Feind. Sie jagen uns. Vor kurzem noch, da waren die Verhältnisse klar zwischen Ganoven und Greifern. Man hat sich geachtet, jeder hatte seine Aufgabe. Wer rumgeballert hat, flog aus unserem Verein. Und wenn große Versammlung war, da erschien schon mal ein Kommissar, um sich seine Kunden anzuschauen. Und wenn einer von uns erwischt wurde, sei’s drum, meistens wurde er anständig behandelt. Heute verprügeln die einen und sperren uns erst mal in Lager, ohne Urteil.« Er schaute mich neugierig an. »Es scheint, als hielten nicht nur wir uns für anständig.«
    »Ich brauche eine Unterkunft. Für ein paar Tage nur«, sagte ich.
    »Da kommen Sie ja zu den Richtigen. Was glauben Sie, was hier los ist. Die halbe Kommune versucht abzutauchen. Die kleinen Zellenleiter und die großen Bezirkssekretäre, alle suchen sie eine neue Bleibe. Der Thälmann hatte natürlich vorgesorgt, aber den hat einer verpfiffen. Ist schon so eine Art von Gerechtigkeit, dass es die Großen auch mal erwischt. Und jetzt kommt ein Kriminaler angelaufen und sagt, er braucht eine Bleibe, wo ihn die eigenen Kollegen nicht ausbaldowern. Ist mal was Neues. Halb Berlin versteckt sich, in allen Löchern ist es gedrängelt voll, aber für den Herrn Kommissar brauchen wir noch eine Suite.« Er sprach es aus wie >Swiiite<. »Mit Schampus und ein paar Mädchen, wie hätten Sie es denn gerne?« Er lachte aus vollem Hals. Die Männer im Raum fielen ein. Er hörte auf zu lachen, die anderen auch. »Weil Sie so ein lustiger Vogel sind, lass ich Sie jetzt allein mit dem Kowalski. Wenn dem was einfällt, meinetwegen.« Er wandte sich an Kowalski. »Aber, Kowalski, wenn das« - er zeigte auf mich - »ne Zecke ist, dann haste schlechte Karten, keinen Buben und auch kein As. Klar?« Kowalski nickte eifrig. Er hatte Angst vor dem Mann, der war Chef in diesem Kiez.
    Der Glatzkopf wuchtete sich aus dem Stuhl und ging. Kowalski sah mich an. Ihm fehlten die beiden oberen Schneidezähne, es tat sich eine große Lücke auf, wenn er sprach. »Ich weiß nicht«, sagte er dann.
    »Kennen Sie nicht jemanden außerhalb von Berlin?«
    »Mm.«
    »Verwandte, Bekannte.«
    »Was haben Sie denn ausgefressen?«
    »Nichts, ich habe den Dienst quittiert, wie ich schon gesagt habe.« Er hatte Angst, und gleichzeitig fühlte er sich geschmeichelt.
    »Aber wenn Sie untertauchen wollen?«
    »Ich habe mich geweigert, einen Unschuldigen einzusperren«, sagte ich und hoffte, er würde die Lüge schlucken. »Einen, der mal was ausgefressen hatte und deswegen für einen Fall ins Zuchthaus gehen soll, mit dem er nichts zu tun hat. Das ist so, als würde die Polizei Sie verhaften wegen eines Einbruchs, den Sie nicht begangen haben.«
    Kowalski nickte. Eine schwarze Locke mit weißen Streifen fiel ihm in die Stirn. Er wischte sie zurück und rieb die Hand unter dem Tisch an der Hose ab. »Das kapier ich«, sagte er. »Ich habe eine alte Bekannte in Zehdenick. Sie heißt Erna Klump. Fragen Sie in Zehdenick nach ihr, ich habe die Adresse nicht. Sagen Sie ihr, ich hätte Sie geschickt, und dann hoffen Sie, dass Sie Glück haben. Erna weiß, was sie will. Vielleicht will sie ja so jemanden wie Sie aufnehmen. Aber so genau weiß ich es nicht.«
    Es war eine niederschmetternde Auskunft. Genauso niederschmetternd war, dass ich es versuchen musste. Ein gute Seite hatte der Rat, ich konnte für eine Weile aus Berlin verschwinden. »Haben Sie eine Waffe für mich?«
    Kowalski schaute mich an, als wäre

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