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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Assistent.«
    Ich überlegte einen Augenblick, ob ich ihm sagen sollte, ich könne mir nicht vorstellen, was einen Assistenten zu so jemandem wie Olendorff führe. Aber ich ließ es. »Ich habe dich vor dem Hotel gesehen, da dachte ich mir, sag doch mal einem alten Kameraden guten Tag.«
    »Das ist schön.« Er sah nicht begeistert aus. »Mensch, Stefan, tauch ab, die suchen dich!«
    »Wer?«
    »Na wer wohl?« Er schien verwirrt.
    »Woher weißt du das?«
    »Das hat mir einer gesagt, weiß nicht mehr, wer.«
    Rübezahl dürfte es gewesen sein. Sie hatten sich bestimmt nicht erst bei Olendorff getroffen. Und wenn, dann gab es dort genug Gelegenheit, miteinander zu reden. Olendorff durfte ich nicht erwähnen, sonst wusste Berg, dass ich das Haus beschattete. »Hat dein Besuch etwas zu tun mit der Zusammenarbeit von Reichswehr und Roter Armee? Darüber konnte man vor einiger Zeit sogar in der Zeitung lesen, so geheim war das.«
    »Ich darf dir nichts sagen.« So, wie er es sagte, klang es wie ein Ja.
    »Toll, ich dachte, ihr wollt den Kapitalismus abschaffen. Was ist denn nun mit der Revolution?«
    »Die kommt, eines nach dem anderen«, sagte Berg.
    »Aber zuerst rüstet ihr das Kapital mal auf. Macht die Revolution so mehr Spaß?«
    »Das ist Dialektik.«
    »Das ist Quatsch. Oder russische Machtpolitik. Die sperren eure Leute hier ein, auch den Thälmann, euren Hauptschreihals, und ihr kriecht ihnen in den Arsch.«
    »Thälmann ist schon in Moskau, morgen steht es in der Zeitung.«
    »Habt ihr also ein Geschäft gemacht. Was hat die große Sowjetunion bezahlt? Übrigens, ist auch der Kippenberger in Moskau?«
    »Der ist tot. Herzinfarkt.«
    »Und darüber musst du jetzt nicht lachen? Berg, du bist ein Idiot. Die haben den zu Tode gefoltert, was denn sonst? Das habe ich noch so nebenbei mitbekommen, diese Jagd auf euren M-Apparat. Die haben den Kippenberger ausgequetscht wie eine Zitrone. Entschuldigung, so was gibt’s ja nicht bei euch.«
    Berg schaute mich böse an. »Du hast keine Ahnung, Stefan. Seit wann kümmert dich die Politik?«
    »Seit sie mich am Arsch haben, teurer Genosse. Seitdem lese ich Zeitung und sperre Augen und Ohren auf.«
    »Ich schulde dir was, komm doch in die Sowjetunion. Wir finden da was für dich. Und die in Berlin müssen es nicht wissen.«
    »Danke, danke. Ich will den Frieden im Paradies der Werktätigen nicht stören.«
    Berg setzte sich auf einen Sessel und streckte die Beine.
    »Du kommst unter die Räder.«
    »Da bin ich schon lange. Und, welch Erstaunen, da lässt es sich leben. Wen besuchst du denn so in Berlin?«
    »Das geht dich nichts an.«
    »Da wäre ich mir nicht so sicher. Hast du den Kameraden Rübezahl schon begrüßt, wenn du gerade in Berlin bist?«
    »Noch nicht.« Er log, aber was sollte er tun? Endlich war ich mal jemandem einen Schritt voraus.
    »Und was haben der Herr morgen vor? Wir könnten ja unseren Tratsch in einem netten Café fortsetzen. Oder in einem schicken Restaurant.«
    »Das geht nicht. Ich habe einen Termin nach dem anderen.«
    »Und nett frühstücken?«
    »Ich werde morgen früh um acht Uhr abgeholt, und vorher muss ich Akten wälzen.«
    »Ich sehe schon, du bemühst dich nach Kräften.«
    Er verstand nicht.
    »Mit einem alten Kriegskameraden einen Schwatz zu halten.«
    »Geh jetzt. Ich werde niemandem etwas sagen von deinem Besuch. Mehr kann ich nicht tun für dich. Du willst meine Hilfe ja nicht.«
    »Grüß Väterchen Stalin«, sagte ich. »Und denk an alle, die du verrätst bei deinen Verhandlungen. Euch sind sogar die eigenen Genossen scheißegal, Hauptsache, die große Sowjetunion wird mächtiger, als sie es schon ist. Wenn dir das noch was sagt: Ihr habt keine Ehre.« Ich stand auf und ging.
    Ich setzte mich in eine Kneipe und hoffte, dass mich niemand erkannte. Ein Kellner brachte mir einen Erbseneintopf mit Wurst. Er war nicht so gut wie bei Aischinger am Alexanderplatz, sättigte mich aber. Ich trank ein Bier. Dann überlegte ich, wo ich die Nacht verbringen konnte. Es war zu spät, um noch nach Zehdenick zurückzufahren. Ich entschied mich, in der Kneipe zu bleiben, bis sie schloss, und dann zum Flughafen Tempelhof zu fahren und im Auto zu übernachten. Das war weniger gefährlich, als allein im Park zu schlafen.
    *
    Am Morgen setzte ich mich auf eine Bank am Ende der Mittelpromenade Unter den Linden und beobachtete den Eingang des
    Adlon. Kurz vor acht Uhr geschah, was ich gehofft hatte: Olendorffs Maybach fuhr vor, Koletzke stieg aus und

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