Der Consul
Ermittlungsergebnisse nicht bekannt werden, soll ich ausgeschaltet werden. Dieses Gericht wird dazu benutzt. Deshalb sitze ich auf der Anklagebank. Es werden Beweise gefälscht, um das Gericht zu einem Fehlurteil zu bringen. Den Mord an Dr. Olendorff muss Koletzke begangen haben, Engert musste ich in Notwehr töten, er wollte mich erstechen. Die Narbe seines Messers können Sie an meinem Hals erkennen. Lassen Sie mich fortfahren. Um aus den Augen der Öffentlichkeit zu verschwinden, tauchte die OC ab und gab sich den Namen Wikingbund. Sie tat so, als tummelte sie sich unter den
Hunderten von völkischen, nationalistischen oder mystischen Grüppchen, die eher belächelt werden, als dass man sie ernst nimmt. Die OC aber existierte weiter, es gibt sie heute noch.«
»Angeklagter, ich muss Ihren Vortrag hier abbrechen. Ich interpretiere ihn so, dass Sie sich für nicht schuldig erklären.« Mit der Hand wies er mich an, mich zu setzen.
Ich war zufrieden.
*
In der Nacht entwickelte ich meine Verteidigung weiter. Wenn es mir gelang, die Glaubwürdigkeit der Anklage in wenigen wesentlichen Punkten zu erschüttern, geriet das Gericht in Schwierigkeiten. Ich hatte mich früher oft über Winkeladvokaten geärgert, die abstruseste Fragen und Behauptungen auftischten, nur um kleine Löcher in das Gemäuer der Anklage zu bohren. Wenn ein Zeuge in einer abseitigen Sache die Unwahrheit sagt, dann ist er auch in anderen Fragen nicht viel wert. Allerdings wusste ich nicht, wie der politische Umschwung bereits durchgeschlagen hatte in der Justiz. Aber konnte irgendwer einem unabhängigen Gericht vorschreiben, wie es zu urteilen hatte? Vertrug es sich mit der Selbstachtung der Richter, ein Urteil auf Lügen aufzubauen? Gewiss, die Justiz hatte rechte Gesinnungstäter oft mild bestraft oder laufenlassen. Aber sie hatte sich bemüht, die formalen Spielregeln einzuhalten. Sie hatte Leute nicht zum Tod verurteilt ohne Beweise. Darauf setzte ich meine Hoffnung. Aber dann fiel mir ein, dass die Polizei Beweise gefälscht hatte. Die Kugel, die Olendorff tötete, konnte nicht aus der Waffe stammen, mit der ich Engert erschossen hatte. Die Fingerabdrücke auf der Waffe, die ich Engert in die Hand gedrückt hatte, waren nachträglich angebracht worden oder eine Erfindung. Zumal die Pistole lange im Wasser gelegen hatte.
Am folgenden Morgen waren die Zuschauerplätze wieder besetzt. Viele Besucher trugen Uniform. Merkel erklärte mir, es handele sich um offizielle Prozessbeobachter, die Öffentlichkeit sei weiter ausgeschlossen. Bevor das Gericht eintrat, betrachtete ich die Gesichter. Dann erkannte ich Rübezahl und Rickmer. Sie schauten mich nicht an. Die Tür zum Gerichtssaal öffnete sich, Berg trat ein. Seine Augen suchten den Saal ab und blieben an mir hängen. Er nickte mir zu. Ich verstand nichts. Berg setzte sich neben Rübezahl, ich sah, wie sie sich die Hand gaben. Dann erschien das Gericht, alle erhoben sich.
Als ersten Zeugen rief die Oberreichsanwaltschaft Wohlfeld. Er schilderte meine Festnahme und was ich in der Vernehmung ausgesagt hatte. Dann wurde er zu den Morden befragt. Wohlfeld berichtete, ein Dienstmädchen habe Olendorff am 11. Mai gegen halb zwei Uhr am Nachmittag auf dem Boden vor seinem Schreibtisch im Arbeitszimmer gefunden. Auf Engerts Leiche seien Ortspolizisten gestoßen, als Kinder beim Spielen ein im See bei Königs Wusterhausen versunkenes Auto entdeckt hätten.
»Können Sie ausschließen, dass Engert sich selbst getötet hat?« fragte der Oberreichsanwalt.
»Ja. Niemand erschießt sich von hinten. Und ein Toter kann schwerlich ein Auto in einem See versenken.«
»Gab es einen Kampf? Vielleicht hat der tödliche Schuss sich ja von selbst gelöst.«
»Wir haben keine Spuren eines Kampfes gefunden.«
»Was wissen Sie über die Projektile in den Fällen Engert und Olendorff?«
»Die Kugel hat Engerts Kopf durchschlagen und ist im Tachometer steckengeblieben. Es handelt sich um das Kaliber neun Millimeter. Die Kugel, die Dr. Olendorff tötete, traf ihn ins Herz und blieb in einer Rippe im Rücken stecken. Auch sie hat das Kaliber neun Millimeter.«
»Handelt es sich um Kugeln aus derselben Waffe?«
»Wir gehen davon aus. Erst hat der Angeklagte sich Engerts entledigt und dann Dr. Olendorff erschossen.«
»Kennen Sie das Motiv?«
»Der Angeklagte war wild darauf, seine sogenannten Ermittlungen fortzuführen. Er hat deshalb sogar den Polizeidienst verlassen. Er ist ein Besessener, hat sich in eine
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