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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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dabei?«
    Er nickte und schaute mich misstrauisch an.
    Ich ärgerte mich über meinen Fehler. Ein Nazi musste das wissen. Ich suchte in meiner Erinnerung und fand einen Fetzen.
    »Stimmt, ich hatte es vergessen. Sie wurden ja auch vor Gericht gestellt.«
    Er schaute etwas freundlicher.
    »Ich bin erst später in die Bewegung eingetreten.«
    Er nickte. Das bestärkte ihn in seinem Stolz. Einem Grünschnabel mochte man einen Mangel an Wissen über die heroische Anfangsphase der Bewegung verzeihen.
    »Und wie war das nun bei Hitler?«
    »Na ja, wie gesagt, wir haben geredet. Der Führer war etwas missmutig wegen der Wahlniederlage, aber er schöpfte neuen Mut. >Wir verdoppeln unsere Anstrengungen<, sagte er. >Der Schleicher wird sein Wunder erleben. Und die Angsthasen in der Partei auch.< Dann kam Göring.«
    »So spät?«
    »Ja, das war nicht ungewöhnlich. Der Führer arbeitete in der Nacht. Göring war davor schon mal dagewesen. Zusammen mit Goebbels und Strasser.«
    »Und was wollte Göring?«
    »Mit dem Führer reden. Göring war erregt. Er bat den Führer, unter vier Augen mit ihm sprechen zu dürfen. Da hat der Führer mir eine gute Nacht gewünscht, und ich bin gegangen. Kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen, hörte ich Göring schreien. Ich legte mein Ohr an die Tür und verstand, dass Göring sich beklagte, weil Hitler nicht bereit sei, Vizekanzler zu werden. Der Führer schrie dann auch. >Sie denken nur an sich, an Geld und Positionen<, warf er Göring vor. Er sei der einzige, der das große Ziel der Bewegung im Auge habe. Es gehe nicht um Pöstchen, sondern um Deutschland. Er allein könne Deutschland aus dem Elend führen, aber nicht als Vizekanzler der Herren Schleicher und Papen. Dann hörte ich Schritte im Gang und versteckte mich hinter einem Vorhang, bis die Schritte sich entfernten. Dann ging ich zum Hotelausgang.«
    »War die Rezeption besetzt?«
    »Ja.«
    Dann hatte er vermutlich Sofias Schritte gehört. »Sie haben das Hotel verlassen?« Ich war enttäuscht. War das alles? Deshalb brachte er sich und mich in Gefahr?
    »Ja. Aber ich bin zurückgekehrt.«
    »Warum?«
    »Ich hatte diese Schreierei gehört und bekam Angst.«
    »War die Rezeption besetzt, als Sie zurückkehrten?«
    »Nein.« Das passte zu Leutbolds Aussage.
    »Sie sind noch einmal in die Suite gegangen?«
    »Nein. Auf der Treppe traf ich Göring. Er rannte fast und rief mir zu: >Der Führer will nicht mehr gestört werden!««
    »Ja, und?«
    »Ich habe sein Gesicht gesehen. Er war in Panik. Und an seinem Hosenbein war ein dunkler Fleck. Er war rot, Blut. Das Licht war nicht hell. Aber ich habe keinen Zweifel, Göring hat den Führer ermordet. Und er hat es auf die Begleiter des Führers abgesehen, weil er fürchtet, ich hätte denen etwas erzählt darüber, dass nur er es gewesen sein kann.«
    »Kein anderer?«
    »Als ich fast am Hotelausgang stand, hörte ich einen furchtbaren Schrei. Eine Frauenstimme. Ich verstand nicht, was sie schrie, aber sie musste in der Suite gewesen sein.«
    »Sie haben Görings Anweisung befolgt?«
    »Ja. Aber später habe ich eins und eins zusammengezählt. Und heraus kam, dass Göring der Mörder war.«
    Er hatte recht. Seine Aussage mochte der Strafprozessordnung nicht genügen, aber für eine Verhaftung hätte sie gereicht. Sie passte zu den anderen Zeugenaussagen.
    »Warum haben Sie das nicht dem Parteirichter Buch erzählt?«
    »Das wollte ich, aber dann kamen die Drohungen.«
    »Von wem?«
    »Keine Ahnung. Ich kriegte Briefe. Und als die neue Regierung im Amt war, bin ich abgetaucht. Göring ist nun eine noch größere Nummer, er hat sogar Röhm, Goebbels und Strasser umgebracht. Oder umbringen lassen.«
    Ich widersprach nicht.
    Die Tür öffnete sich, zwei Schupos traten ein. Sie schauten sich um, ihre Blicke streiften uns, dann erkannte mich der eine. Er zog seine Pistole, der andere tat es ihm nach. Ich hatte meine Hand am Griff der Luger, dann legte ich sie doch auf den Tisch. Es war vorbei.
     

XIX
    W ohlfeld schaute mich missmutig an. Er saß mir gegenüber in meinem ehemaligen Dienstzimmer im Polizeipräsidium am Alexanderplatz. Sein Blick fragte: Wie kann man so tief sinken und zum Verbrecher werden?
    »Wir haben Engert aus dem See bei Königs Wusterhausen geholt. Engert hatte den Auftrag, Sie zu beschatten. Sie haben es gemerkt und Engert getötet.«
    »Engert wollte mich umbringen, es war Notwehr.«
    »Das sagt jeder zweite Mörder, Sie wissen das, Herr Soetting.«
    »Engert sollte

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