Der Consul
mich ausschalten, weil ich in den Mordfällen Röhm und Kameraden ermittelt habe. Erst dachte ich, Olendorff stecke dahinter, bis ich darauf kam, dass es Ehrhardt ist, die Organisation Consul.«
»Ersparen Sie uns die Verschwörungstheorien. Sie glaubten, Engert wollte Sie beschatten, und dann haben Sie ihn in eine Falle gelockt. Ich will Ihnen zugestehen, es könnte Panik gewesen sein.«
»Interessiert es Sie gar nicht, wer die Morde begangen hat?«
Er blickte mir in die Augen, dann schlug er sie nieder. »Der Fall ist abgeschlossen, es war die Kommune, die Täter heißen Leutbold und Schmoll. Sie sind flüchtig. Kippenberger hat gestanden, er hat die Mordaufträge erteilt.«
»Kippenberger ist tot«, sagte ich. »Ich würde eine Menge darauf wetten, dass er nicht an einem Herzinfarkt starb.«
»So steht es im Totenschein.« Er klang so, als wäre es ihm egal, ob der Totenschein die wahre Todesursache nannte. »Und Sie haben Dr. Olendorff erschossen, mit derselben Waffe, mit der Sie Engert ermordet haben.«
»Das ist unmöglich.«
»Beide Kugeln haben das Kaliber neun Millimeter.«
»Das ist kein Beweis.«
»Und dazu kommt die Aussage von Herrn Koletzke.«
»Der ist ein Verbrecher. Er hat Röhm, Goebbels und Strasser ermordet. Gemeinsam mit Engert.«
»Natürlich.« Er schüttelte den Kopf. »Und dann haben wir noch einen Haufen Fingerabdrücke von Ihnen in Dr. Olendorffs Haus gefunden. Herr Soetting, Sie wissen es doch besser als ich, das reicht.«
»Herr Wohlfeld, Sie wissen es tatsächlich schlechter als ich. Das reicht nicht. Keiner dieser angeblichen Beweise ist wirklich stichhaltig. Aber das mag ja unter der nationalen Regierung anders sein. Da kommt es wohl mehr auf die Überzeugung an als auf die Wahrheit.«
Sie brachten mich zurück ins Untersuchungsgefängnis Moabit. Als ich hinausgeführt wurde, sah ich Elisabeth Wuttke durch die offene Tür des Vorzimmers. Sie saß da und weinte.
*
Dann wurde ich nach Leipzig verlegt. Die Oberreichsanwaltschaft hatte den Fall an sich gezogen, er sollte vor dem Staatsgerichtshof verhandelt werden. Die Morde an Dr. Olendorff und Engert waren eine Reichssache. Ich überlegte eine Weile, warum. Weil irgendwer fürchtete, vor einem Landgericht komme zu viel heraus? Oder war es die Rache des Oberreichsanwalts Dr. Voß? Ich erwartete, zu meinem Überfall auf Voß verhört zu werden. Aber niemand fragte mich. Dann verstand ich es. Wenn Voß mich als den Täter benannte, schied er als befangen aus dem Verfahren aus. Er wollte mich selbst zur Strecke bringen.
Die Voruntersuchung leitete Landgerichtsdirektor Dr. Böse. Er gab sich nicht viel Mühe, sondern schien zufrieden mit den Ermittlungsergebnissen der Berliner Polizei. Sie hatten es eilig mit dem Prozess.
Am ersten Verhandlungstag schloss Senatspräsident Dr. Bröger auf Antrag des Oberreichsanwalts die Öffentlichkeit aus. Die Sicherheit des Reichs erfordere es. Dann verlas Voß die Anklageschrift, nachdem er mir hämisch zugelächelt hatte. Zur Last gelegt wurde mir Mord zum Nachteil von Olendorff und Engert. Beide wurden als Deutsche geschildert, die ihr Vaterland heiß geliebt hätten. Während Voß las, betrachtete ich das Gericht. Bröger hatte schlohweiße Haare und trug ein Monokel. Der rote Talar stand ihm gut. Bröger war eingerahmt durch die Beisitzer, auch sie im roten Talar. Neben Voß, der stehend las, saß Böse, er blätterte gelangweilt in Akten.
Ich fragte meinen Verteidiger in einer Verhandlungspause, was die Mordfälle zu tun hätten mit der Sicherheit des Reichs, aber er schüttelte nur den Kopf. Ich hatte Anwälte benannt, die ich in meiner Dienstzeit kennengelernt hatte, aber das Gericht lehnte alle ab. Sofern die Anwälte am Reichsgericht zugelassen waren, wurde ihre Zulassung suspendiert. Schließlich teilte das Gericht mir einen Pflichtverteidiger zu, einen kleinen, dürren Mann mit Glatze in einem verschlissenen Talar, Dr. Reginald Merkel. Er hatte mir die Anklageschrift erläutert und meine Bemerkungen dazu notiert. Ich berichtete ihm, wie Engert starb und dass ich mit Olendorffs Tod nichts zu tun hatte. Er schaute mich ungläubig an und schrieb etwas auf. Ich verlangte, Göring, Ehrhardt und Koletzke als Zeugen zu laden. Er schaute weiter ungläubig und schrieb in seinen Notizblock.
Nach dem ersten Verhandlungstag kam er am Abend in die Untersuchungshaftanstalt. Ich wiederholte meine Forderungen.
Merkel schaute mich missmutig an.
»Haben Sie Angst?«
Natürlich hatte er
Weitere Kostenlose Bücher