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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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immerhin Oberbefehlshaber der Reichswehr. Was heißt das auf Deutsch?« Er schaute mich bedeutungsschwanger an. »Das heißt, Reichswehr und Reaktion schießen die Kommune zu Brei und mit ihr die paar verrückten Kameraden, die glaubten, Deutschland mit Moskaus Hilfe sanieren zu können. Und das ist das Ende unserer einzigartigen Bewegung, die anders war als alle anderen, die nicht zur Reaktion zählte, obwohl sie dieser an Nationalgefühl in nichts nachstand, und die nicht zu den Kommunisten gehörte, obwohl sie revolutionärer war als Thälmann, der doch nur ein Satrap ist seines großen Führers in Moskau.«
    Je länger er redete, um so besser verstand ich, dass er verzweifelte. Vielleicht an sich und seiner Unfähigkeit, die ganze Macht in der Partei zu fordern. Wo ein Rest an Zweifel bleibt, und sei es auch nur an sich selbst, kann der Griff zur Macht nicht gelingen. Als hätte er meine Gedanken gelesen, sagte er leise: »Es war Hitler, der den Unterschied ausgemacht hat zu Reaktion und Kommune. In ihm verkörperte sich die Einzigartigkeit unserer Bewegung. Alle Führungsfiguren in der Partei leiteten ihre Bedeutung nur von ihm ab. Na ja, fast. Wer sich gegen ihn stellte, wie Stennes, wie mein Bruder, verlor alle Bedeutung. Selbst seine Feinde erhielten ihre Bedeutung nur durch ihn. Warum gibt es das Reichsbanner oder die Eiserne Front, warum den Rotfrontkämpferbund? Es sind alles nur Imitationen der SA, von Hitlers Schöpfung. Warum haben sie Hindenburg zur zweiten Kandidatur als Reichspräsident getrieben? Um Hitler zu verhindern. Was plakatieren die demokratischen Parteien? Verhindert Hitler! Sehen Sie, das machte die Bedeutung Hitlers aus, die ganze Politik in Deutschland drehte sich um ihn. Nicht um die NSDAP! Wer sind schon Göring, Goebbels, Frick und Strasser?«
    »Wenn Sie mir die Frage gestatten, was wird aus Ihnen?«
    Er kratzte sich am Ohrläppchen. »Das weiß ich am allerwenigsten. Ich bin Reichsorganisationsleiter, aber von was? Von einer Partei, die am Tag nach Hitlers Tod zu zerfallen begann. Ich habe ihn zu Lebzeiten nie Führer genannt wie mancher Schleimer. Aber jetzt, da er tot ist, weiß ich, dass er der Führer war. Gefühlt habe ich es immer, deswegen war ich im Grunde loyaler als all die Ehrgeizlinge, die immer wieder gestänkert haben gegen mich. Selbst meine Kritik war loyal, diente nur unserer Revolution, die andere benutzen wollten, um oben zu schwimmen wie Fettaugen, hier ein Pöstchen, da ein Pöstchen.« Er lehnte sich zurück, dann stand er auf und ging zum Fenster. Er wandte mir den Rücken zu, während er hinausschaute. Er stand lange, und ich überlegte mir, ob ich gerade Zeuge eines außerordentlich geschickten Plädoyers in eigener
    Sache geworden war. So, wie Strasser sprach, konnte er Hitler nicht den Schädel mit einer Goethestatuette zerschlagen haben. Oder er war einer der gerissensten Lügner, die mir in meiner mit Lügen gepflasterten Laufbahn als Kriminaler untergekommen waren.
    »Haben Sie allein mit Hitler gesprochen?«
    »Zeitweise. Goebbels und Göring haben mitgestritten. Sie waren beide auf Hitlers Seite, Göring versuchte immerhin, einen Kompromiss zu finden. Aber machen Sie mal einen Kompromiss mit Adolf Hitler. Der sagte immer nur: >Ich lasse mich nicht abspeisen, ich werde mir von diesem Herrn von Papen nichts vorschreiben lassen und auch nicht von dem General von Schleicher. Entweder ich werde Reichskanzler, oder die nationalsozialistische Partei wird die Regierung bis aufs Messer bekämpfenc. Irgend etwas schien ihn überzeugt zu haben, er sei von der Macht nur noch wenige Zentimeter entfernt.«
    »Was?«
    »Die Vorsehung«, sagte Strasser und guckte mich ungläubig an. Dann lachte er. »Hitler glaubte daran. Er hielt sich für auserwählt. Das ist ja das Erstaunliche, dass solche Eingebungen sich verwirklichen können. Das ist die Macht des Geistes. Er hielt sich für auserwählt, deshalb war er auserwählt.«
    »Als Sie Hitler verließen, war er da allein?«
    »Ja, Göring und Goebbels waren schon gegangen. Insofern bin ich natürlich verdächtig.«
    »Und die Begleiter von Herrn Hitler?« Ich schaute in mein Notizbuch. »Brückner, Dietrich, Schaub, Schreck und Hoffmann?«
    »Die habe ich in dieser Nacht nicht gesehen. Für die waren, glaube ich, keine Zimmer mehr frei. Ich weiß aber nicht, wo sie genächtigt haben.«
    Ich hörte heraus, er mochte Hitlers Begleiter nicht. »Und wenn es nicht die Kommune war?« fragte ich.
    Er schaute mich an, dann

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