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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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sein Zimmer. »Tut mir leid«, sagte er.
    »Punkt zwei war die Kanzlerschaft. Hitler wollte nur als Reichskanzler ins Kabinett, ich habe eine Koalitionsregierung gewollt. Darüber haben wir uns gestritten.«
    »Laut?«
    »Zeitweise.« Er lachte. »Er hatte sich versteift darauf, sofort Kanzler werden zu wollen. Obwohl er wusste, Hindenburg mochte ihn nicht, dem war er nicht fein genug. Ich habe Hitler geraten, sich auf eine Koalition mit Hugenberg und seinen Deutschnationalen einzulassen. Wenn er eine Weile Minister und stellvertretender Reichskanzler gewesen wäre und beim Essen mit dem Reichspräsidenten nicht gekleckert hätte, hätte der Feldmarschall ihn schlecht weiter zurückweisen können. Aber Hitler wollte alles sofort. Ich gebe zu, dass genau dies einen Teil der Magie ausmachte, die er für viele ausstrahlte.«
    »Auch auf Sie?«
    »Nein, nein. Ich bin für Übermenschliches wenig empfänglich. Wir Pharmazeuten sind nüchterne Leute.«
    »Aber ein Motiv haben Sie gehabt für den Mord. Vielleicht sind Ihnen die Nerven durchgegangen. Die Partei begraben in Schulden, der Führer, der sich auf keinen Kompromiss einlassen will und die Gefahr in Kauf nimmt, niemals an die Macht zu kommen ...«
    »Sie haben vergessen zu erwähnen, dass wir außerdem bei den letzten Wahlen ziemlich verloren haben. Alle unsere Träume drohten zu platzen. Das hat den Druck erhöht auf Hitler und uns alle, eine Koalition mit den Deutschnationalen und dem Zentrum einzugehen. Aber Hitler wollte Reichskanzler werden, um jeden Preis. Und die anderen wollten einen Kanzler Hitler nicht, sie hätten uns nur als Juniorpartner akzeptiert. Dabei hätten wir in einer Regierung Papen diesen Herrenreiter in die Tasche gesteckt. Alles zusammen ergibt ein gutes Motiv, nicht wahr?«
    Ich schaute in sein lächelndes Gesicht. »Haben Sie keine Angst vor dem Bürgerkrieg?«
    »Nein«, sagte Strasser. »Ich will ihn nicht. Aber wenn er kommt, wird er wie ein reinigendes Gewitter sein. Dann werden wir sehen, wer wo steht. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen, ich habe ihn nicht ermordet. Außerdem, ich dachte, Sie hätten die Täter bereits.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Was hat Sauckel mir da nur erzählt?«
    »Wer könnte es gewesen sein? Haben Sie jemanden bemerkt, der sich auffällig verhalten hat?« fragte ich. »Schließlich haben Sie das Zimmer erst kurz vor dem Mord verlassen.«
    Strasser legte die Hände hinter den Nacken und schaute an die Decke. »Ich habe nichts gehört und nichts gesehen.« Er grinste und sagte: »Mein Name ist Hase.«
    »Große Trauer scheinen Sie nicht zu empfinden.«
    »Das täuscht. Die Menschen gehen unterschiedlich um mit ihrer Traurigkeit. Außerdem, in jedem Verlust verbirgt sich eine Chance, man muss sie nur finden.«
    Von der Straße her drang das Rattern eines Maschinengewehrs ins Zimmer. Strasser stand auf und ging zum Fenster. Er schaute hinaus.
    »SA«, sagte er. »Aber ich habe keine Ahnung, auf wen die schießen.«
    Er drehte sich zu mir. »Und was ist mit Röhm? Wer hat den auf dem Gewissen? Diese Kameraden da draußen haben in zwei Tagen ihre beiden Führer verloren. Jetzt geben die Gauleiter die Befehle, es gibt ein Chaos.«
    »Und warum verhindern Sie es nicht?«
    »Was, glauben Sie, passiert, wenn ich den Herren Goebbels,
    Streicher und so weiter was befehle?«
    Ich zog die Augenbrauen hoch.
    »Nichts«, sagte er. Es klang so gelassen wie alles, was er gesagt hatte. Und doch hörte ich Verzweiflung mitschwingen.
    »Ich will Ihnen was sagen: Mir ist es im Augenblick ziemlich egal, wer Hitler und Röhm getötet hat. Es wird schon jemand von der Kommune sein. Es geht allein darum, unsere Bewegung zusammenzuhalten. Wenn es nicht gelingt, ist die Knallerei da draußen nur ein schwacher Vorgeschmack auf das große Gemetzel. Dann finden Sie einen kleineren Teil der SA bei den Kommunisten wieder. Mich nicht, um dieses Missverständnis gleich auszuräumen.«
    Er schien mir anzusehen, dass ich ihn nicht begriff.
    »Man versucht immer wieder, mich mit den Kommunisten in Verbindung zu bringen. Das verdanke ich gewissermaßen meinem Bruder Otto, der ist tatsächlich so was wie ein linker Vogel. Ich mag ihn, aber politisch ist er in der falschen Seilschaft, ein bisschen wirr, zu idealistisch. Nur wenige werden ihm zur Kommune folgen. Der größere Teil der Nazis aber geht zur Reaktion, macht gemeinsame Sache mit Hugenberg und Duesterberg vom Stahlhelm. Sie scharen sich um den Reichspräsidenten, und der ist

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