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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Schlageter vor den Läufen des französischen Exekutionskommandos. Schlageter blickte die Soldaten wild an. Strasser drehte sich zu dem Bild um. »Ich habe ihn gekannt, den Wanderer ins Nichts, ganz so zornig hat er nicht geguckt. Wir haben ihn hinterher zu dem gemacht, was er heute ist. Er war doch in Wahrheit nur ein kleiner Saboteur, der die Franzosen bei der Ruhrbesetzung ärgern wollte wie so viele andere auch. Und die haben ihn erwischt und erschossen. Das Recht der Besatzer.« Er lachte. »Wir machen das wie die anderen, aus mutigen Leuten, aus solchen, die in einer Scheißlage nicht flennen, aus armen Schweinen machen wir Helden. Die Menschen auf der Straße brauchen sie, weil sie nach jemandem suchen, zu dem sie aufblicken können. Hitler war so jemand. Er kam aus einfachen Verhältnissen und wurde der Führer der stärksten Partei in Deutschland, so stark wie Sozis und Kommune zusammen. Es war ein Aufstieg aus dem Nichts, aus einer bayerischen Sekte wurde eine Bewegung, die die Welt bestaunt. Hitler wird nun zum Märtyrer Deutschlands. Der Mann, der sein Leben einsetzte im Kampf gegen das Versailler Schanddiktat, gegen die Entrechtung und Demütigung Deutschlands. Aber, Entschuldigung, ich schweife ab.«
    Der Mann faszinierte mich. Ein kluger Kopf, dem man nachsagte, er werde der neue Führer der NSDAP oder wenigstens von einem Teil der Partei. Und doch war mir fremd, was er über Hitler sagte. Mich erstaunte seine Ruhe. Auf den Straßen braute sich ein Bürgerkrieg zusammen, aber Strasser zeigte keinerlei Nervosität. »War es üblich, dass Sie Hitler so spät aufsuchten?«
    »Ja, er blieb lange auf.«
    »Und was hatten Sie mit ihm zu besprechen?«
    »Gehört das zu Ihren Ermittlungen?«
    »Natürlich.«
    »Es ging um zwei Fragen: Geld und Kanzlerschaft.«
    »Das ist mir zu wenig. Vielleicht beruhigt es Sie, wenn ich Ihnen Vertraulichkeit zusichere.«
    Strasser schaute mich einige Sekunden an, als wägte er ab, ob er meiner Zusicherung trauen könne. »Also gut. Franz Xaver Schwarz hatte mich kurz vor meiner Fahrt nach Weimar angerufen.«
    Ich schaute ihn fragend an.
    »Das ist der Generalbevollmächtigte des Führers für die Finanzen der Partei, der Schatzmeister. In unserem Fall sollte er besser Pleitemeister heißen. Er teilte mir mit, dass die Partei praktisch bankrott ist. Er habe den Reichstagswahlkampf zum großen Teil mit Wechseln bestritten, Wechseln, die eingelöst werden sollten, wenn die Partei in der Regierung sitzen würde, Wechseln auf Hitler also. Nun aber ist Hitler tot, und die Druckereien und Vermieter von Veranstaltungssälen wollen Geld sehen. Geld, das wir nicht haben. Was glauben Sie, was passiert, wenn wir die SA nicht mehr bezahlen können? Dann gibt es eine neue Revolte, nicht nur in Berlin wie beim letzten Mal unter Stennes, sondern im Reich. Aber ich schweife ab. Wir wollten Hitler noch einmal auf diese Lage hinweisen.«
    Das Telefon klingelte. Strasser nahm ab, sagte »Ja?« und hörte zu.
    »Der soll nachher noch mal anrufen.« Er legte auf. »Hitler war das Geld nicht egal, aber die Lage raubte ihm auch nicht den Schlaf. Er meinte, Schwarz würde das schon irgendwie kriegen, wie er es immer hingekriegt hatte.«
    »Und die Kanzlerschaft?«
    Das Telefon klingelte weder. Strasser nahm ab, hörte zu, dann sagte er: »Guten Tag, Herr Minister. Einen Moment bitte.« Er hielt die Hand vor die Muschel und zeigte auf die Tür. »Bitte warten Sie draußen, ich rufe Sie dann wieder herein«, bat er freundlich.
    Ich ging in sein Vorzimmer. Die Frau mit dem Bubikopf tippte auf einer großen schwarzen Schreibmaschine. Sie tippte schnell und fast melodisch. Sie drehte sich um und blickte mich an. »Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«
    »Ja, gerne.«
    Sie stand auf und verließ das Zimmer. Ich schaute mich um. An einer Wand stand ein Regal mit Aktenordnern. Links von mir ein Hitler-Porträt an der Wand. Er schien ins Unendliche zu blicken. Auch wenn ich seine Partei aus Zorn einmal gewählt hatte, dieser Blick hatte etwas Unwirkliches. Was seine Anhänger als Ausdruck der Auserwähltheit bewundern mochten, empfand ich als bedrohlich. In dem Mann schlummerte etwas Entsetzliches. Strassers Sekretärin kam mit einer Tasse Kaffee zurück. Durch die geöffnete Tür hörte ich Schreie. »Ist es immer so laut im Reichstag?« fragte ich.
    »Nein«, sagte sie. »Ein paar Moskowiter haben sich mit Sozis in den Haaren. Gleich gehen sie aufeinander los.« Sie lachte.
    Strasser holte mich zurück in

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