Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
Vom Netzwerk:
Ordnung. Aber das kapieren Sie wahrscheinlich nicht.«
    Leutbold prustete. »Da haben Sie recht, Herr Kommissar.«
    »Wissen Sie, ich mag die Nazis nicht, eingeschlossen meinen Kollegen in Erfurt. Ich habe keinen Zweifel, dass Sie Dreck am Stecken haben. Sie haben die Ermittlungen behindert und sich selbst in Schwierigkeiten gebracht. Aber Hitler haben Sie nicht ermordet, auch wenn man es Ihnen zutrauen könnte. Und Röhm und Goebbels auch nicht.«
    »So, so«, sagte Leutbold. »Aber Sie erwarten jetzt hoffentlich nicht, dass ich Trauer trage für diese armen Opfer. Sie trauen mir nicht, Herr Kommissar, stimmt’s?«
    »Richtig«, sagte ich. »Aber da wir nicht in der Sowjetunion leben, werden solche Figuren wie Sie nicht einfach abgeknallt, sondern vor ein ordentliches Gericht gestellt. Im Zweifelsfall gibt’s bei uns nicht die Kugel ins Genick, sondern Freispruch.«
    »Sie sind ja ein richtiger Reaktionär!«
    »Wenn Sie es für reaktionär halten, dass man Angeklagten die Schuld beweisen muss.«
    Leutbold lachte.
    »Wohin fahren Sie?« Eigentlich war es mir gleichgültig, Hauptsache, wir hielten uns fern der Städte. Bald würde ich entscheiden müssen, was ich nun tun sollte. Vorher aber musste ich schlafen. Die Müdigkeit und die Kälte machten mich schwach.
    »Ein Dorf wäre zu klein, da würden wir auffallen. Wir brauchen irgendein Städtchen. Da suchen wir uns eine Pension und warten ab. Ich kenne da jemanden.«
    Mir war es recht. Ich schaute auf die Rückbank, Sofia schlief unter meinem Mantel. Ich überlegte, wie ich Voß’ Aktentasche loswerden konnte. Wenn sie verschwand, musste ich nur die Zeugenaussagen von Voß, seiner Sekretärin, vielleicht dem Pförtner im Reichsgericht und den Justizbeamten in der Untersuchungshaftanstalt fürchten. Solange ich verhindern konnte, dass sie mich oder ein Bild von mir sahen, hatte ich eine Chance.
    Meine Augen brannten. Ich starrte auf die Straße, sie verschwamm vor meinen Augen.
    Als ich aufwachte, war es dunkel, und wir standen vor einem großen Haus. »Gasthof Sonne« stand auf einem Schild. »Wir sind in Glauchau«, sagte Leutbold. »Ich gehe mal fragen, ob die Zimmer haben.« Er stieg aus und betrat den Gasthof. Als er zurückkam, reckte er den rechten Daumen hoch. »Ein Zimmer, aber sie stellen noch ein Bett rein, dann reicht es für drei.«
    Der Wirt war ein kleiner Mann mit schuppigen Haaren. Er sprach breites Sächsisch, ich verstand ihn kaum. »Eine Treppe hoch, die zweite Tür links, Nummer 12.« Wir trugen unser Gepäck hoch. Leutbold half dem Wirt, ein Feldbett mit einem schmutzgrauen Bezug ins Zimmer zu tragen. Sie stellten es an den Fuß des Doppelbetts. Das Fenster ging hinaus auf die Hauptstraße. Wir hatten wenig Platz.
    Leutbold ging mit dem Wirt die Treppe hinunter. Sie schienen vertraut miteinander. Um so besser, das machte den Aufenthalt weniger gefährlich. Ich hockte mich auf die Liege. Sofia gähnte und setzte sich aufs Bett. Sie gab mir meinen Mantel zurück. »Sie haben schlimm gefroren.«
    »Nicht so schlimm«, log ich. Ich war ausgekühlt und zog den Mantel an. Als ich mich wieder hinsetzte, zitterte ich.
    Sofia nahm eine Bettdecke und legte sie mir um. Sie strich einmal darüber. »Morgen müssen wir darüber reden«, sagte sie.
    Ich schaute zum Fenster hinaus. Im Schein einer Straßenlaterne sah ich Leutbold zum Wagen gehen. Er fuhr den Opel die Straße hinunter. Er wollte nicht, dass der gestohlene Wagen vor dem Gasthof stand.
    Leutbold kam zurück mit einem Tablett, darauf Teller, Besteck und Gläser. Es gab Brot, Aufschnitt und Wasser. Wir aßen schweigend.
    »Sie fliegen raus«, sagte Leutbold, nachdem er sich den Mund an einer Überdecke abgewischt hatte. Sofia beobachtete ihn regungslos.
    »Kann sein«, sagte ich.
    »Und nur, weil Sie zwei von der Kommune aus dem Knast geholt haben.«
    »Ich habe Ihnen schon mal erklärt, dass das nichts zu tun hat mit Ihrer politischen Gesinnung. Es geht nicht um Politik, sondern um das Recht, um Gerechtigkeit, wenn Ihnen das lieber ist.«
    »Pah, Gerechtigkeit.«
    »Was hast du gegen Gerechtigkeit?« fragte Sofia.
    »Gerechtigkeit für wen? Das ist die Frage. Gerechtigkeit für die Kapitalisten, das wäre doch verrückt. Oder für die Nazis?«
    »Ich finde das nicht verrückt«, erwiderte Sofia. »Wenn alle gerecht miteinander umgingen, gäbe es keinen Bürgerkrieg.«
    »Was hast du gegen den Bürgerkrieg? Das ist unsere Revolution, Sofia.« Seine Stimme war eindringlich. »Teile der Nazis,

Weitere Kostenlose Bücher