Der Consul
sich zu Leutbold, der am anderen Ende des Feldbetts saß. »Du bist unverschämt, Gottfried!«
Er zuckte mit den Achseln und drehte seine Handflächen nach oben. Ein verkrampftes Lächeln zeigte sich in seinem Gesicht. »Wir müssen jetzt schlafen«, sagte er. »Morgen geht es weiter!«
»Wohin wollen Sie?«
»Sie werden schon sehen.« Er löschte das Licht und legte sich neben Sofia auf das Doppelbett.
Ich hörte sie atmen. Dann schnarchte er leise. Als ich überlegen wollte, wie ich mich retten könnte, schlief ich ein.
VII.
E in Lichtstrahl traf mein Gesicht. Es blendete. Ich spürte einen Krampf im Unterleib, die Angst vor dem Krebs kehrte zurück. Die Stirn wurde schwitzig. Ich setzte mich auf das Feldbett. Der Hals tat mir weh, die Augen brannten, im Kopf klopfte es, Vorzeichen einer Erkältung. Ich fror. Von Sofia erkannte ich nur eine schwarze Haarsträhne. Unter der Bettdecke zeichnete sich ihr Körper ab, sie lag auf der Seite und schien fest zu schlafen. Das Bett neben ihr war leer. Ich schaute mich um. Gestern hatte Leutbolds Koffer neben dem Nachttisch gestanden, er war weg. Ich stand auf und schaute hinaus. Der Opel parkte nicht mehr am Straßenrand. Ich hätte es wissen müssen.
»Er wollte mich mitnehmen«, sagte Sofia. »Aber ich wollte nicht.« Sie klang wach.
Ich nickte. »Wir müssen bald hier weg, vielleicht verpfeift er uns.«
»Glaube ich nicht, damit würde er sie auf seine Spur führen.«
»Wer ist >sie«
Sie antwortete nicht.
»Kennen Sie hier jemanden?«
»Nein, woher?«
Hinter einer Tür im Flur verbarg sich ein winziges Bad. Es war klebrig. Im Spiegel sah ich das Gesicht eines Verwahrlosten. So konnte ich nicht aus dem Haus gehen.
Ich stieg die Treppe hinunter. Der Wirt stand im Schankraum, Bier- und Tabakgeruch. »Haben Sie den Herrn Leutbold gesehen?«
»Der ist losgefahren?«
»Wohin?«
»Weiß ich nicht. Er hat mir nichts gesagt.«
Ich war versucht, ihm meinen Dienstausweis unter die Nase zu halten. Es wäre das Dümmste gewesen, was ich hätte machen können.
»Gibt es hier ein vernünftiges Badezimmer?«
»Haben Sie es nicht gesehen? Im Flur, schräg gegenüber Ihrem Zimmer. >Bad< steht auf der Tür.«
»Haben Sie ein Rasiermesser für mich? Ich brauche auch noch Zahnbürste und Seife.«
Er griff unter den Tresen und holte eine Blechkiste hervor. Er stellte sie offen vor mich. »Suchen Sie sich was aus, kostet neunzig Pfennig. Haarwaschzeug zehn Pfennig extra. Wenn Sie die Badewanne benutzen, noch einmal zehn Pfennig.«
Es war unverschämt. Ich zahlte zwei Mark. »Das ist dann aber für beide.«
»Meinetwegen.«
Ich nahm in Papier eingeschlagene Seife, Haarwaschmittel, ein altes Rasiermesser mit Rasierseife, eine Zahnbürste und Zahnpasta sowie einen Kamm, der klebte. Ich fluchte, dass ich meine Reisetasche in Bitterfeld liegen gelassen hatte.
»Kriegen wir bei Ihnen ein Frühstück?«
Er nickte flüchtig und ging durch eine Schwenktür.
Sofia hatte sich frisiert, als ich ins Zimmer kam. Sie sah nicht mehr so blass aus wie gestern. Ich nieste.
»Das ist meine Schuld,« sagte sie. Sie lächelte.
»Wir können das Bad benutzen. Sie zuerst.«
Als sie fertig war, quetschte ich mich ins Badezimmer. Ich beeilte mich, duschte in der Wanne, rasierte mich und putzte die Zähne. Anschließend fühlte ich mich fast grundüberholt.
Sie stand am Fenster und schaute hinaus, als ich zurückkam ins Zimmer.
»Warum sind Sie nicht mit Leutbold gefahren?«
»Er wird irgend etwas Schlimmes tun. Er hat keine Moral.«
»Das merken Sie aber früh«, erwiderte ich. Ich lachte sie an, um den Worten die Schärfe zu nehmen.
»Besser als gar nicht«, sagte sie traurig.
»Es gibt gleich Frühstück. Jedenfalls habe ich so was Ähnliches in der Visage des Wirts gelesen.«
»Danke«, sagte sie.
»Bitte. Wofür?«
»Sie haben mich rausgeholt. Vielleicht haben Sie mir das Leben gerettet.«
»Kommen Sie, wir gehen runter.«
»Moment.« Sie kam zu mir, nahm mich in den Arm und küsste mich auf den Mund. Ihre Lippen waren weich. Ich legte die Arme um sie und drückte sie an mich. Dann nahm ich ihre Hand. Hand in Hand verließen wir das Zimmer und stiegen die Treppe hinunter. Es war eng. Erst unten löste sie ihre Hand aus meiner.
Der Tisch am Fenster war gedeckt. Durch ein Fenster gegenüber schien die Sonne in den Gastraum. Der Baum, auf den wir blickten, glänzte vor Tau. Der Wirt klapperte in der Küche. »Was für ein schöner Tag«, sagte Sofia.
Auf dem
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