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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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viele von der SA sind zu uns gekommen. Dazu diese komischen Nationalbolschewisten. Selbst wenn wir jetzt den Kampf verlieren, werden die rechten Nazis und ihre deutschnationalen Kumpane schneller abwirtschaften, als die Genossen in Moskau es sich erträumen.«
    »Sie sind ja verrückt«, sagte ich. »Sie können den Hals nicht vollkriegen vom Totschlagen, was?«
    »Halten Sie sich da raus, ein Greifer versteht nichts davon.«
    »Vom Totschlagen verstehe ich vielleicht mehr als Sie. Bevor Sie jetzt weiter im Blut baden, beantworten Sie mir mal die Frage, ob Sie was mit dem Hitler-Mord zu tun haben. Wir sind hier unter uns. Wenn Sie beteiligt sind, werde ich Sie heute nicht festnehmen, ich wüsste gar nicht, wo ich Sie hinbringen sollte. Sie hätten also die Chance abzuhauen. Sie sind mir diese Antwort schuldig.«
    »Sagen Sie bloß, Sie wollen diesen Fall aufklären? Das ist doch egal, Hauptsache, das Schwein ist tot.«
    »Wenn es sich um ein Schwein handelte, gäbe es keine Ermittlungen, jedenfalls nicht der Mordkommission. Die würde sogar ermitteln, wenn Ihrem Herrn Thälmann einer den Schädel eingeschlagen hätte. Auch wenn ich den Kerl nicht leiden kann.«
    »Sie sind verrückt.«
    »Ich bin einer der wenigen Normalen unter Irren. Mord ist Mord.«
    »Ich habe ihn belauscht, das ist alles.«
    »Und was haben Sie erlauscht?«
    »Die haben sich über Posten gestritten, was man eben in diesen Kreisen so tut.«
    »Wer?«
    »Der Strasser hat Hitler bedrängt, in eine Regierung mit Papen oder Schleicher einzutreten. Als Vizekanzler. Das wollte der aber nicht. Alles oder nichts. Und Hitler hat Strasser vorgeworfen, mit Schleicher zu kungeln. Göring hat ihn auch in dieser Richtung bedrängt, wollte Minister werden und preußischer Ministerpräsident und dieses noch und jenes noch. Reichstagspräsident reichte ihm nicht. Er hat gebettelt. Ich weiß nicht, was rausgekommen ist, es hat unten geklingelt, und ich musste ans Telefon.«
    Er war unsympathisch, aber ich glaubte ihm. »Und was wissen Sie?«
    Ich schaute Sofia an. Sie war erschöpft.
    »Ich weiß nicht mehr, als ich Ihnen bereits gesagt habe. Ich habe nicht gelogen. Jedenfalls nicht bei meiner zweiten Aussage.«
    Ich nickte. Also musste ich auf jeden Fall noch mal zu Strasser, und Göring musste ich auch vernehmen. Goebbels war tot, aber es war nicht völlig auszuschließen, dass er Hitlers Mörder war. Vielleicht hatte er Hitler erschlagen, und die Parteibonzen hatten ihn dafür aufgehängt. Er hatte ja nicht nur Bewunderer in der NSDAP. Erst war er ein ganz Linker gewesen, Spezi von Strasser, dann schwenkte er zu Hitler über, von dem er sich offenbar mehr erwartete als von seinen früheren Freunden. Und er wurde belohnt: Gauleiter von Berlin, Reichspropagandaleiter, Hitlers Vertrauter, das war schon was. Vielleicht war es ihm nicht genug.
    »Und Ihr formidabler M-Apparat hat nichts damit zu tun?«
    Leutbold schüttelte leicht den Kopf. Er zog die Augenbrauen hoch.
    »Wir sind gegen individuellen Terror.«
    »So ein Quatsch«, sagte ich. »Und die Polizistenmorde?«
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das war falsch, haben wir ausgewertet.«
    »Und dann haben Ihre Genossen meine Kollegen zum Leben wiedererweckt«, sagte ich.
    Er schaute mich fragend an.
    »Und was machen Sie mit Ihren feinen Genossen, die meine Kollegen erschossen haben?«
    »Weiß ich nicht«, sagte Leutbold.
    »Die machen jetzt auf Revolutionsheld in Ihrer Sowjetunion«, sagte ich.
    Sofia verfolgte unseren Streit aufmerksam. Sie schaute hin und her.
    »Stimmt das?« fragte sie Leutbold.
    »Das ist doch egal. Wir haben uns distanziert vom individuellen Terror .«
    »Aber nicht von den Terroristen«, warf ich ein.
    »Es war ein Irrtum«, sagte Leutbold. Er klang verärgert.
    »Es war Mord«, sagte ich. »Von hinten erschossen auf dem Bülowplatz, eine Heldentat! Meinen Glückwunsch!«
    »Ich war’s nicht«, sagte Leutbold.
    »Und wenn man Ihnen den Auftrag gegeben hätte?«
    »Parteidisziplin«, sagte Leutbold. »Befehl ist Befehl!«
    »Sie wären bei den Nazis genausogut aufgehoben«, sagte ich. »Alles ist erlaubt, wenn es der großen Sache nutzt, der Weltrevolution oder der Größe des deutschen Volks. Es gibt zu viele Irre auf der Welt. Ich verstehe tausendmal weniger von Politik als Sie, Leutbold, aber Sie verstehen nichts von Moral. Als mildernden Umstand zu Ihren Gunsten kann man nur anführen, dass Sie eine Macke haben.«
    »Halten Sie das Maul!«
    Sofia stand auf und beugte

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