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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Lokomotive. Eine Trittleiter lehnte am Laderaum des Lasters, ich warf den Koffer hinein. Wieder schauten wir uns um, taten so, als seien wir neugierige Passanten. Aus dem Bahnhof strömten Leute, sie kamen von der Arbeit. Sie beachteten uns nicht. Als wir den Pulk nicht mehr sahen, stieß ich Sofia leicht in die Seite, mit drei schnellen Schritten war sie an der Ladekante und kletterte die Leiter hoch. Ich sicherte die Umgebung, dann kletterte ich hinterher. Wir quetschten uns durch die Möbel, die an den Seitenwänden festgezurrt waren, nach vorne, bis wir auf einen kleinen Freiraum stießen, wo der Boden mit Umzugsdecken gepolstert war. Wir setzten uns auf die Decken und lehnten uns an den Schrank des Obersts. Wir saßen schweigend nebeneinander, während es draußen dunkel wurde.
    Dann hörten wir ein Auto, es hielt hinter dem Laster an. Stimmen und Schritte näherten sich, ich hörte Gschwendtner etwas über Fahrtzeiten reden. Dann wurde die Doppeltür des Laderaums zugeschlagen. Es quietschte, als der Schließbügel einrastete. Nun war es finster. Sofia legte ihren Kopf an meine Schulter. Der Laster wurde gestartet, vibrierte heftig, als schüttele er sich, dann hatte der Diesel seinen Takt gefunden.
    Es ächzte im Laderaum, als der Wagen anfuhr. Ich spürte Sofias Lippen an meinem Ohr. »Wir sollten versuchen zu schlafen. Wenn sie uns erwischen, werden wir es früh genug merken.« Sie biss mir leicht ins Ohrläppchen und legte sich an meine Seite. Ich machte es mir neben ihr so bequem, wie es ging, und suchte ihre Hand. Es schüttelte. Ich hoffte, Gschwendtner hatte alles gut verzurrt; wenn sich Möbel selbständig machten, würde es gefährlich werden. Krachend legte Gschwendtner einen höheren Gang ein.
    *
    Als ich im Dunkeln aufwachte, lag Sofias Hand immer noch in meiner. Ich hatte wieder von Berg und Rübezahl geträumt, von unserem nächtlichen Stoßtrupp dicht vor der feindlichen Stellung. Und beim Aufwachen hatte ich Elsbeths Bild vor Augen. Sofia schlief, das Auto rüttelte uns durch, der Diesel dröhnte, es klapperte und ächzte. Ich hatte mein Zeitgefühl verloren. Die Bremsen quietschten, der Wagen hielt, draußen hörte ich Verkehrslärm, wir waren in einer Stadt. Der Laster fuhr wieder an, bog ab, es drückte mich an den Schrank. Sofia tastete nach mir. »Sind wir da?« fragte sie.
    »Weiß nicht, jedenfalls sind wir in einer Stadt.«
    Wieder hielt der Lastwagen, dann rollte er, bremste, fuhr an. So ging es eine Weile, bis der Lastwagen holperte und dann stehenblieb. Der Motor erstarb klopfend. Die Fahrerkabine wurde geöffnet, jemand machte sich am Verschluss der Laderaumtür zu schaffen. Das Licht blendete. Jemand stieg ein, ich legte meine Hand an die Pistole. Dann stand Gschwendtner im Licht und schaute auf uns hinunter. »Los, raus!« zischte er. »Der Oberst ist im Haus.«
    Die Gelenke schmerzten, als ich mich aus dem Laderaum quälte. Ich nahm den Koffer und sprang auf die Straße. Dann half ich Sofia. »Da runter!« sagte Gschwendtner. Wir liefen die Straße hinunter. Es war ein Villenviertel. Bald stießen wir auf eine größere Straße. Auf einem Schild war der Bahnhof angezeigt. Wir folgten der Richtung. Ich war einige Male in Potsdam gewesen und glaubte, es wiederzuerkennen.
    Im Bahnhof kauften wir Fahrkarten und setzten uns in die S-Bahn Richtung Berlin. Langsam fühlte ich die Erleichterung. »Das Schlimmste haben wir geschafft, jetzt dürfen wir nur niemandem über den Weg laufen, der mich kennt.«
    »Ich setze mich woanders hin«, sagte Sofia. »Dann kann gar nichts passieren.«
    Sie hatte recht. Sie setzte sich auf die andere Seite, schräg gegenüber. Sie sah erschöpft aus, sie lächelte mich an, dann schaute sie aus dem Fenster.
    Auf dem Weg zu meiner Wohnung folgte sie mir in einigen Metern Abstand. Es gelang uns, die Treppe hinaufzusteigen, ohne dem Hausmeister aufzufallen. Als wir vor meiner Wohnungstür standen, klapperte der Spion an Fräulein Wieses Tür leise, aber sie kam nicht heraus. Im Wohnzimmer fiel die Anspannung von uns ab. Ich schaute noch einige Male aus dem Fenster, sah aber niemanden, der uns beschattete. Die Sonne blickte durch dunkelgraue Wolken auf Berlin. Es war später Vormittag, ich wusch mich, wechselte die Kleidung. Sofia stand auf, als ich das Wohnzimmer betrat. Wir hielten uns in den Armen. Ich überlegte, wie es weitergehen sollte, aber mir fiel nichts ein.
    »Und nun?« fragte Sofia. Sie streichelte mein Gesicht.
    »Ich weiß nicht. Noch nicht«,

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