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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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konnte recht haben, merkwürdig war es trotzdem. »Berichten Sie weiter.«
    »Da gibt es nicht viel zu sagen. Goebbels war die meiste Zeit in der Redaktion oder zu Hause. Die Nachbarn wussten nichts Auffälliges zu berichten.«
    »Unser alter Horch war eine Klasse besser, nicht wahr, Wohlfeld?«
    »Das stimmt, Herr Kommissar. Aber besser das Auto zusammengeschossen als Sie.«
    Wegner steuerte den Ford sicher durch den Verkehr. Warum war er im Krieg nicht Lastwagenfahrer geworden? Ich hätte ihn gerne gefragt, aber es ging mich nichts an. Vor dem Alten Friedhof an der Köpenicker Landstraße war ein Auflauf, Hunderte von Menschen, schwarz und grau gekleidet. Viele trugen Regenschirme. Ich erkannte die Reichskriegsflagge.
    »Bürgerkriegsopfer«, sagte Wohlfeld. »Sieht nach Stahlhelm aus.«
    Wegner fuhr über die Brückenstraße zur Ostendstraße und bog an der Ecke Wuhlheide/Weiskopffstraße rechts in einen Kopfsteinpflasterweg ein. Dann hielt er an. Wir stiegen aus, ich steckte die Hände in die Manteltasche. Ich schaute auf die Spree, die sich grün dahinwälzte, und dachte an Sofia. Meine Laune verdüsterte sich, ich hatte keine Idee, wie wir zusammenbleiben konnten. Sie konnte sich nicht ewig verstecken. Und ich würde irgendwann entlarvt werden als der Verbrecher, der einen Oberreichsanwalt überfiel, um zwei kommunistische Verschwörer zu befreien. Wieviel Zeit blieb mir noch?
    Unsere Verstärkung mit der Puppe kam. Es waren drei Polizisten mit einem Lastwagen, auf dem sie ein Boot mitbrachten. Ich hatte nicht daran gedacht, deutete auf das Boot und klopfte Wegner auf die Schulter. Er straffte seinen Körper, ein Lächeln ging über sein Gesicht. Ich bat meine Mitarbeiter zu mir. »Wir wissen nicht, an welchem Ufer Röhms Leiche ins Wasser gestoßen wurde. Und natürlich nicht, auf welcher Höhe. Wir werden experimentieren. Wir schmeißen die Puppe von beiden Seiten hinein. Wir gehen davon aus, dass Röhm vier Stunden tot war, als er beim Ruderverein Markomannia antrieb. Meine Arbeitshypothese ist, er wurde eine Viertelstunde, höchstens eine halbe Stunde nach seinem Tod ins Wasser geworfen. Demnach ist er dreieinhalb Stunden oder ein bisschen länger in der Spree getrieben. Sie werfen die Puppe hier auf beiden Seiten ins Wasser und stellen fest, wie er sich jeweils verhält. Dann begleiten Sie sie und protokollieren, wo sie sich zu welcher Zeit befindet. Orientieren Sie sich dabei an Querstraßen und Gebäuden am Ufer. Wenn die Puppe irgendwo hängenbleibt, entscheiden Sie, ob auch Röhm hätte hängen bleiben können. Wenn ja, lassen Sie die Puppe in Ruhe. Wenn nein, machen Sie sie los. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Puppe weiter oben ins Wasser geworfen wurde. Wenn doch, wissen Sie, was Sie zu tun haben. Sie werden heute mit der Arbeit nicht fertig, vielleicht brauchen Sie bis übermorgen oder noch länger. Wichtig ist eine große Zahl exakter Versuche. So, dann will ich Sie mal nicht weiter stören. Kriminalassistent Wohlfeld übernimmt die Leitung. Herr Kriminalassistent, ich brauche das Auto.«
    »Auf Wiedersehen, Herr Kommissar«, sagte Wohlfeld und wandte sich seinen Kollegen zu.
    *
    Ich fuhr zur Untersuchungshaftanstalt in Altmoabit. An der Torwache zeigte ich meinen Dienstausweis, ein lächerlicher Akt, jeder Wärter kannte mich. »Bringen Sie mir den Untersuchungsgefangenen Kippenberger in die 126.« Dieser Raum wurde für Vernehmungen benutzt, aber auch für Gespräche zwischen Gefangenen und ihren Anwälten. Der Raum war mittelgroß und hatte zwei vergitterte Fenster. In der Mitte stand ein Tisch mit zwei Stühlen, in der Ecke neben der Tür ein weiterer Stuhl für einen Justizbeamten.
    Ein Schließer betrat mit einem Mann das Zimmer. »Der Untersuchungshäftling Kippenberger«, sagte er in einem Tonfall, der zeigte, er mochte den Reichstagsabgeordneten nicht. Kippenberger sah aus wie ein Spätsemester oder ein junger Universitätslehrer. Schmales Gesicht, intelligente Augen, ungekämmte mittelbraune Haare. War das Deutschlands gefährlichster Terrorist?
    Ich zeigte auf den Stuhl mir gegenüber, den Justizbeamten bat ich, den Raum zu verlassen.
    »Ich protestiere«, sagte Kippenberger. Er hatte eine ruhige Stimme.
    »Ich bin Abgeordneter des Deutschen Reichstags und genieße Immunität. Die Verhaftung ist rechtswidrig.«
    Ich zweifelte seine Feststellung nicht an. Es war nicht meine Sache.
    »Wenden Sie sich an den Staatsanwalt. Bringen Sie das beim Haftprüfungstermin zur Sprache.

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