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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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der Reichswehr.«
    »Nein, junge Frau, die sind auch nicht auf Rosen gebettet. So was wie ein Auto zum Beispiel können sich nur betuchte Offiziere leisten, also solche aus reichem Elternhaus wie den Gutsbesitzern, denen unsere großartigen Regierungen die Osthilfe ins Gesäß blasen. Der Oberst aus Augustusburg ist in Wahrheit ein armer Schlucker. Bürgerliche Herkunft, hat sich wohl hochgedient. Ein ganz scharfer Hund, wie man hört. Aber reich ist er nicht. Vielleicht ist er auch nur geizig. Den nehme ich zum Beispiel im Lastwagen mit bei seinem Umzug. Wir kriegen sogar eine Eskorte vorneweg, falls böse Jungs sich am Eigentum des Obersts vergreifen wollen. So ein Auto mit schwerbewaffneten Soldaten vorneweg, das erspart einem auch alle Kontrollen durch die Kameraden. Mir ist das recht. Sehr recht.«
    Es kam mir so vor, als hätte er uns etwas sagen wollen, ohne es auszusprechen. Ich drehte mich um, Sofia blickte mich an und blinzelte mit dem linken Auge. So hatten wir es als Kinder gemacht, wenn wir eine stille Verabredung trafen. Sofias Blick hatte etwas Verschwörerisches. Der Fahrer hatte nichts gemerkt, oder er tat so.
    Nach dem Ortseingangsschild Zöblitz bog Gschwendtner links ab in eine kleine Straße. Dort, wo sie in einen Feldweg überging, lag die Pension Zur Linde, ein großes Fachwerkhaus mit geschnitzten Verzierungen am Giebel, an der Seite ein Schuppen mit Fenstern. Gschwendtner stieg aus und klopfte mit einem Messingklöppel auf eine Pfanne an der Doppelflügeltür. Bald öffnete sich die Tür, eine große hagere Frau mittleren Alters mit hochgesteckten Haaren trat heraus und begrüßte unseren Fahrer per Handschlag. Sie wechselten einige Worte, die wir nicht verstanden, dann winkte Gschwendtner uns heran. »Das ist Ihre Wirtin, Frau Schnittholz«, sagte er.
    Frau Schnittholz gab uns die Hand, sie war knochig und stark. »Ich zeige Ihnen Ihre Zimmer«, sagte sie. Gschwendtner nahm Sofias Koffer und schloss sich uns an. Frau Schnittholz führte uns in den zweiten Stock und öffnete die Türen zweier nebeneinander gelegener Zimmer. An der Wand ein Kruzifix, ein Bild, kämpfende Hirsche auf einer Au, ein Bett mit zwei großen Kopfkissen und hohen, gebogenen Abschlussbrettern an Kopf- und Fußende. Es war kalt im Zimmer, der Kohleofen in der Ecke brannte nicht. Ich schaute in Sofias Zimmer, es sah nicht anders aus. Sie fror.
    »Gehen Sie etwas essen«, sagte die Frau. »Ich könnte nur etwas Kaltes bereiten, ich hatte nicht mit Gästen gerechnet. Den Weg zurück zur Hauptstraße, dann links ins Dorf hinein, dort finden Sie die Dorfschenke. Ist eine gute Küche. Der Herr Gschwendtner kann Sie ja noch schnell hinfahren.«
    Ich nahm Sofias Hand, sie war kalt. »Fahren wir«, sagte ich, »bevor du zum Eisblock erstarrst.«
    Sie lächelte.
    Gschwendtner schwieg, als er uns zur Dorfschenke fuhr. Er bremste vor der Gaststätte, ich gab ihm fünf Reichsmark. »In fünf Tagen, am Abend, geht es los. Das ist der 21. November. Wir fahren die Nacht durch.« Er wiederholte es, als erzählte er uns eine belanglose Geschichte.
    In der Dorfschenke stand Qualm in der Luft. Er stammte vom Ofen und von den Rauchern am größten Tisch. Darauf stand ein Messingschild mit Holzfuß und der Inschrift »Stammtisch«. Um den Tisch herum saßen fünf Männer, sie sprachen laut, fielen einander ins Wort, übertönten sich. Sie hatten große Biergläser vor sich und kleine für den Schnaps. Sonst saß niemand im Gastraum. Die Leute vom Stammtisch warfen einige Blicke auf uns, vor allem auf Sofia. Dann widmeten sie sich wieder ihrer Besserwisserei. Ich wählte einen Tisch nahe der Tür. Der Wirt erschien, ein mittelgroßer, beleibter Mann mit einer speckigen Lederschürze. Er verbeugte sich und betrachtete uns fast von unten. Er blieb in leicht gebückter Haltung, während er unsere Bestellung aufnahm. Dann verbeugte er sich noch einmal und verließ den Gastraum.
    »Einfach abknallen«, dröhnte es vom Stammtisch. »Gott sei Dank haben sie die Sau erwischt. Den hätten sie gleich umlegen sollen. Auf der Flucht!« Der Mann hatte eine Fistelstimme.
    Ein Bass dröhnte dazwischen: »Nein, der Thälmann gehört vor Gericht, damit er mal erzählt, was die Russenknechte geplant haben. Daumenschrauben anziehen, und der quiekt wie ein Ferkel auf der Schlachtbank.«
    »Schroten und dem Stalin die Reste schicken«, brüllte ein anderer.
    »Das sollten sie mit allen von der Kommune machen.«
    »Und mit den Verrätern von der SA auch!« sagte

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