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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Oder einer, der diesen Eindruck erwecken will. Das ist demonstrativ. Ein Soldat, der keine Spur hinterlassen will, tötet nicht mit einem Seitengewehr. Wer Strasser ermordet hat, hat wahrscheinlich auch Röhm und Goebbels getötet, vielleicht auch Hitler. Bei Goebbels und Röhm scheinen die Zeichen klar, Homophilie und Großmäuligkeit. Bei Strasser fehlt die Eindeutigkeit, oder ich verstehe das Zeichen nicht. Die HitlerBibel auf Strassers Brust, bedeutet das >Verräter<, oder war Strasser dem Mörder zu hitlertreu, noch nach dem Tod des Führers? Das Ganze riecht nach einer Finte. Wer mordet, ohne Spuren zu hinterlassen - es wird hier wieder so sein, da braucht man keinen Hellseher -, genauer, wer nur die Spuren hinterlässt, die er hinterlassen will, der ersticht nicht einen mit einem Seitengewehr, wenn er uns nicht auf etwas stoßen will.«
    Ich betrachtete die Leiche genauer. »Er hat seinen Mörder hereingelassen.« Ich schaute auf Wohlfeld. »Gibt’s Spuren an der Wohnungstür?«
    Wohlfeld verließ das Wohnzimmer.
    »Er schaut friedlich aus. Es muss schnell gegangen sein. Der Mörder betritt das Zimmer, steht Strasser gegenüber, vielleicht ist der abgelenkt, schaut woanders hin, und schon zieht der Mörder das Bajonett. Ein Stich, gut gezielt, genau getroffen, bevor Strasser auf dem Boden liegt, ist er tot. Ganze Arbeit. Bei Hitler in Weimar sah es anders aus, es ist eine andere Handschrift. Mag sein, dass dieselbe Organisation dahintersteckt. Dann hat sie in Berlin einen Mörder losgeschickt, in Weimar einen anderen. Hat der Mörder die Zeichen im Auftrag hinterlassen, oder war das die Signatur eines eitlen Künstlers? Fiel ihm zu Strasser vielleicht kein eindeutiges Zeichen ein?«
    Wohlfeld kehrte zurück. »Nein, keine Spuren, die Tür wurde nicht aufgebrochen.«
    »Das hatte ich mir gedacht. Vielleicht hat er sich als Bote des
    Reichstags getarnt. Wohlfeld, sorgen Sie dafür, dass die anderen Bewohner des Hauses auch nach einem Boten gefragt werden.«
    Wohlfeld verschwand wieder.
    Ich zog mir Handschuhe an und kniete mich nieder. Ich putzte mir die Nase. Erst roch ich an dem Buch, dann am Bajonett. Ein Hauch von Öl, jedenfalls glaubte ich, es zu riechen. Wenn es so war, dann gab es eine Verbindung zwischen den drei Berliner Fällen.
    Wohlfeld trat wieder ein ins Wohnzimmer.
    »Kommen Sie mal!«
    Er kniete sich neben mich.
    »Riechen Sie an dem Buch und am Messergriff.«
    Er beugte sich vor und tat es.
    »Was riechen Sie?«
    »Das Buch riecht muffig, am Griff rieche ich nichts.«
    »Kein Öl?«
    Wohlfeld beugte sich noch einmal nach vorn. »Nur wenn ich es mir einbilde.«
    »Ich bin zwar erkältet, aber ich bilde es mir ein.« Ich öffnete die Tür zum Flur. »Herr Wegner.«
    Wegner erschien. »Herr Kommissar?«
    »Untersuchen Sie Buch und Messer nach Ölspuren. Machen Sie das zuerst.« Ich fürchtete, der Geruch könnte sich verflüchtigen.
    Wegner nickte.
    »Sie können die Spurensuche fortsetzen, auch wenn wir wahrscheinlich keine Fingerabdrücke des Täters finden werden. Vielleicht hat er uns ja sonst etwas hinterlassen. Jeder macht mal einen Fehler.« Ich wandte mich an Wohlfeld. »Wir schauen uns die Wohnung an.«
    Die Küche sah nicht so aus, als wäre Strasser ein Feinschmecker. Im Bad entdeckte ich einige Medikamente. Der Gerichtsarzt würde uns unterrichten, wenn etwas Auffälliges darunter sein sollte. Ich fand es normal, Strasser war mal Apotheker gewesen, und ein Apotheker hat ein paar Pillen mehr im Haus. Am Ende des Gangs öffnete ich die Tür zu seinem Arbeitszimmer. Der Schreibtisch war aufgeräumt, an den Wänden Regale mit Büchern, einige Biographien und Fachliteratur über Wirtschaft und Sozialpolitik. Im unteren Regalbrett standen Aktenordner mit Aufschriften wie Fraktionsvorstand, Partei, Otto. Im Ordner Otto waren Briefe und sonstige Papiere abgeheftet, darunter Entwürfe von Reden. Offenbar hatte Otto Strasser seinem Bruder zugearbeitet. Ich setzte mich an Strassers Schreibtisch. Im mittleren Schubfach waren ein paar Papiere, ich überflog sie, nichts Aufregendes. Genauso unergiebig war die Suche in den anderen Schubfächern und in den Regalen.
    Als wir das Zimmer verließen, schleppten die Leichenträger gerade den Sarg aus der Wohnung. Ich schaute ins Wohnzimmer, Wegner und zwei Kollegen durchsuchten das Zimmer Quadratzentimeter um Quadratzentimeter. Sie brauchten mich nicht, Wegner war ein As in seinem Fach.
    Ich winkte Wohlfeld zu mir. Wir gingen zum Bahnhof Friedrichstraße.

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