Der Consul
In einer Bude an der Straße kauften wir Pferdewürste mit Brot. Wir lehnten uns ans Straßengeländer und aßen.
»Ich fürchte, Herr Kommissar, wenn wir diese Mörder nicht fassen, kriegen wir Ärger.«
»Ich kriege Ärger, Sie nicht. Sie können mich dann beerben.«
»Niemand kann mehr tun zur Aufklärung als Sie, Herr Kommissar.«
»Das verraten Sie mal anderen Leuten.«
»Wem?«
Ich winkte ab. »Es nutzt nichts. Wir werden diese Leute kriegen.«
»Warum bilden die nicht endlich eine Sonderkommission?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass wir die Kerle kriegen müssen.«
Weil erst damit die Unschuld von Sofia bewiesen war, fügte ich in Gedanken hinzu.
Wohlfeld sagte ich davon nichts. Ich sagte ihm genausowenig, dass ich in diesem Fall tiefer drinsteckte, als mir guttat. Wenn ich überhaupt eine Chance hatte, aus dem Schlamassel herauszukommen, dann nur, indem ich die Täter aufspürte. Ich hatte dann immer noch Ärger, einen Oberreichsanwalt sollte man nicht überfallen, nicht fesseln und nicht erpressen. Aber vielleicht kam ich ohne Gefängnis davon, wenn sie mich erwischten.
Ich wies Wohlfeld an, uns ins Präsidium zu fahren. Frau Wuttke stürzte mir entgegen. »Der Präsident will Sie sprechen, sofort!« Sie war aufgeregt.
»Der Präsident muss eine Minute warten«, sagte ich. »Rufen Sie an, und sagen Sie, ich sei unterwegs. Herr Wohlfeld, was haben die Schwimmversuche ergeben?«
»Wir haben die Puppe elfmal ins Wasser geworfen, an verschiedenen Stellen. Sie ist dreimal hängengeblieben. Die Strömungsverhältnisse haben sich seit dem Tag, an dem wir Röhm aus dem Wasser geholt haben, kaum verändert. Wenn die Leiche, stromaufwärts gesehen, am rechten Ufer ins Wasser gelassen wurde und nicht hängenblieb, dann muss das irgendwo in Karlshorst, Wuhlheide, Oberschöneweide, vielleicht im Volkspark gewesen sein. Ich habe den Kollegen Mittler beauftragt herauszufinden, ob es im Volkspark eine Hütte, einen Keller oder ähnliches gibt, wo man einen Mann festhalten und ermorden kann.«
»Er kann natürlich ganz woanders getötet worden sein, dann ins Auto und schnell an die Spree.«
»Er hat stark geblutet.«
»Trotzdem kann es sein, vielleicht wurde er auf einem Lastwagen in einer Wanne transportiert.« Meine Einwände waren kein Widerspruch, sondern Zweifel, die mich beunruhigten, weil wir an der falschen Stelle suchen könnten. Nur hatten wir keine andere Spur. »Gut, lassen wir die Fragen erst einmal beiseite.« Ich schaute Wohlfeld fragend an.
»Am linken Ufer käme Adlershof und die Königsheide in Frage, vielleicht auch Johannisthal.«
»Ich gehe jetzt zum Präsidenten, Sie rufen bei der Schupo an und stellen einen Suchtrupp zusammen, Sie fangen am rechten Ufer an zu suchen. Ich komme nach. Ach, bevor ich es vergesse, neue Erkenntnisse im Fall Goebbels?«
»Nichts Wichtiges. Sicher ist nur, es war Brandstiftung. Wir haben eine Flasche mit Petroleumresten gefunden, neben der Stelle, wo der Brand wahrscheinlich ausgebrochen ist.«
»Das kann ein weiteres Zeichen sein, ein Hinweis auf den Brandstifter Goebbels, dem nun das Maul gestopft wurde.« Es war mir gerade eingefallen. »Irgendwie passt das alles zu gut zusammen. Die größte Gefahr für die Wahrheit ist nicht die Lüge, sondern die Plausibilität. Mich irritiert die Selbstsicherheit, mit der die Täter vorgingen. Als könnte ihnen nichts passieren. Als hielten sie uns für dumm.« Die Kopfschmerzen stachen, sie überfielen mich in Wellen. Ich hustete, es kitzelte und biss im Hals. Ich musste niesen, fummelte nach den Kodeintropfen in meiner Manteltasche und setzte die Flasche an den Mund. Wohlfeld sah mir mit einem Blick zu, den ich als Missbilligung verstand. »Jetzt muss ich aber zum Präsidenten.«
Ich beeilte mich. Selma Wieczorek tippte, sie drehte sich kurz um und sagte: »Er wartet schon.«
Das tat er. Melcher stand hinter seinem Schreibtisch und schaute mich böse an. »Ich hoffe, Sie haben einen guten Grund für Ihre Verspätung. Wie mir die Pforte sagte, sind Sie schon eine Weile im Haus.«
»Ermittlungen.« Ich mühte mich, keine Miene zu verziehen.
»Und was haben die ergeben? Immerhin wurde ein Minister unserer Regierung ermordet.«
»Bisher nichts. Außer dass wieder Öl im Spiel sein könnte.«
»Das haben Sie mir schon mal erzählt«, sagte er ungeduldig.
»Wie gesagt, es gibt Ölspuren an den Leichen von Röhm und Goebbels, an der von Strasser vermutlich auch. Die Untersuchungsergebnisse liegen noch
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