Der Consul
nicht vor. Aber ich glaube, Öl gerochen zu haben.«
»Aha, gerochen.«
Ich nickte. Dann putzte ich mir die Nase und schnaubte laut dabei.
Die Kodeintropfen ließen mein Hirn in einem Nebel versinken. Es war angenehm. Der Zorn des Präsidenten berührte mich nicht. Es war, als beobachtete ich uns beide aus der Ferne.
»Ja, gerochen.«
»Sie meinen, ein Ölgeruch ist Ihre einzige Spur.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob >Spur< das richtige Wort ist. Wir gehen dem jedenfalls nach.«
»Das heißt, Sie wissen gar nichts über die Mörder.«
»Ich fürchte, das gilt auch für den Fall Strasser. Wir haben es mit Tätern zu tun, die perfekte Morde begehen, die nur das zurücklassen, was sie zurücklassen wollen. Es sind Zeichen oder Finten oder beides. Der Fall Hitler weicht davon ab. Wir haben zwar auch hier keine brauchbaren Spuren, aber kein Zeichen. Und das Blutbad in der Hotelsuite passt nicht zum sonstigen Vorgehen der Täter.«
»Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, nie hat eine schlimmere Mordserie das Deutsche Reich erschüttert. Da wird die Führung einer großen, der größten nationalen Partei abgeschlachtet, und Sie folgen einem Geruch. Nach Öl! Wissen Sie, das ist fast eine Provokation.« Er lief um mich herum und schleuderte mir seine Worte entgegen. Er erreichte mich nicht, mich erstaunte nur seine frisch erwachte Begeisterung für die Nazipartei, genauer für deren rechten Flügel. Die Minderheit, die mit den Kommunisten zusammengegangen war, hatte die Reichswehr zusammengeschossen, verhaftet, aus dem Land getrieben. »Und jetzt stellen Sie sich mal vor, die neue Regierung, der Herr Ministerpräsident, der als preußischer Innenminister unser höchster Dienstherr ist, kommt zu der Erkenntnis, wir wollten die Fälle gar nicht aufklären. Hier, in der Polizei, gäbe es so etwas wie eine republikanische Resistenz, ein Widerstandsnest gegen die nationale Koalition. Sind Sie Sozi?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin Kriminalbeamter. Ich befasse mich nicht mit Politik, sondern mit Opfern und Tätern. Und das tue ich seit dem Jahr 1919, nachdem ich mit dem Eisernen Kreuz Erster Klasse aus Seiner Majestät Heer entlassen wurde.«
Es sah so aus, als schnappte er nach Luft.
»Um meine Ermittlungen zu beschleunigen, muss ich eine Vernehmung nachholen, die mir ein wichtiger Zeuge bisher verwehrte.«
»Welcher Zeuge?«
»Der Herr Ministerpräsident Göring.«
»Sie wollen den Ministerpräsidenten und Innenminister, Ihren höchsten Dienstherrn, vernehmen?«
»Ich muss es. Es gab schon einen Termin, aber leider hat sich der Zeuge Göring entschlossen, nicht anwesend zu sein. Herr Göring war zum Tatzeitpunkt im Hotel Elephant. Womöglich hat er etwas gesehen oder gehört, das uns weiterbringt. Außerdem muss der Herr Ministerpräsident gewarnt werden, er könnte das nächste Ziel der Mörder werden.«
»Und Sie sind sicher, dass der Herr Ministerpräsident nicht weiß, ob er etwas Wichtiges gehört oder gesehen hat? Halten Sie es nicht für wahrscheinlich, dass er in diesem Fall sein Wissen längst seiner Polizei mitgeteilt hätte? Und was seine Sicherheit angeht, da machen Sie sich mal keine Sorgen, er ist gut geschützt. Ich war gerade beim Herrn Ministerpräsidenten. Er hat sich eingehend nach dem Stand der Ermittlungen erkundigt. Ich habe ihm einen Bericht von Ihnen angekündigt.«
»Jawohl, Herr Polizeipräsident. Der Herr Ministerpräsident wird morgen meinen Bericht auf dem Schreibtisch haben. Aber ich muss auf der Vernehmung bestehen. Am besten wäre vielleicht, ich berichte ihm mündlich und befrage ihn danach. Wenn ich ihn nicht vernehme, würden sich doch manche fragen, ob die Polizei gründlich und vorbehaltlos ermittelt. Ich werde gründlich und vorbehaltlos ermitteln, und ich werde den oder die Mörder finden.«
»Und Sie wollen dem Herrn Ministerpräsidenten Ihre Geruchstheorie verkaufen?«
»Ich habe die Absicht, den Herrn Ministerpräsidenten zu unterrichten, was die Untersuchung der Tatorte und der Leichen ergeben hat. Ich habe nicht die Absicht, dem Herrn Ministerpräsidenten etwas zu verschweigen.«
Der Polizeipräsident setzte sich auf seinen Schreibtischstuhl. »Nun, wenn Sie meinen. Ich werde den Herrn Ministerpräsidenten unterrichten. Sollte der Herr Ministerpräsident Sie zu sprechen wünschen, wird mein Büro Ihnen Bescheid geben.« Er nickte unwillig, ich durfte gehen.
*
Als ich mir auf der Treppe eine Zigarette anzündete, bekam ich einen Hustenanfall. Meine Stirn
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