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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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solche aus Tierblut. Ich erinnerte mich, wie der Dozent eines Lehrgangs das Verfahren als Revolution der Kriminalistik pries, die nur übertroffen werde durch die Daktyloskopie. Nie würde ich seine Worte vergessen: »Bedenken Sie, die Blutspuren, die Sie finden, zeugen vielleicht von einem schrecklichen Verbrechen. Möglicherweise aber beweisen sie auch nur, dass ein Hund einem anderen ins Ohr gebissen hat.« In einem Zoo oder im Zirkus versagte die Methode, denn Affenblut trübte sich auch im Kaninchenblutcocktail.
    Wir brachen die Suche ab für diesen Tag. Am nächsten Tag wollten wir die Rennbahn untersuchen. Der Hausmeister war noch am Abend erschienen, wir verabredeten uns für acht Uhr am Morgen vor dem Haupteingang. Ich sagte Wohlfeld, er könne für heute Schluss machen und mit den Kollegen zurückfahren zum Präsidium.
    *
    Auf der Fahrt nach Hause überfiel mich der Husten. Ich schluckte noch ein paar Tropfen, und als ich angekommen war in meiner Wohnung, war der Husten unterdrückt. Berg saß in der Küche und aß. Ich holte mir einen Teller, ein Glas und Besteck und setzte mich dazu. Er sah ausgeruht aus.
    »Habe fast die ganze Zeit geschlafen. Nirgendwo ist es sicherer als in der Bude eines Greifers.« Er lachte. Ich sah keinen Grund mitzulachen.
    »Hast du immer so viel zu essen im Haus? Die Staatsmacht lässt ihre Diener nicht verhungern.« Er kaute und schmatzte. »Hast du ein Auto?« fragte er.
    Ich nickte und ahnte Böses.
    »In Hamburg liegt ein Schiff, da muss ich drauf. Mit der Bahn fahren kann ich nicht. Auch auf den Straßen gibt es Kontrollen. Du musst mich nach Hamburg bringen, dann bist du mich los. Dich werden sie durchlassen.«
    »Woher weißt du das mit dem Schiff?«
    Er grinste mich an.
    »Warst du draußen?«
    Er schüttelte kauend den Kopf.
    »Telefon?«
    Er nickte. »Das ist ein weiterer Vorteil, wenn man bei einem Greifer unterkommt.«
    »Und du bist sicher, es ist keine Falle?«
    »Nein, sicher bin ich nicht. Da liegt ein holländisches Schiff, das morgen Abend nach Leningrad ablegt. Der Kapitän scheint ein Sowjetfreund zu sein. Mehr weiß ich nicht.«
    »Na, das wird ja ein unterhaltsamer Ausflug«, sagte ich. Gleichgültigkeit erfasste mich. Ich glaubte nicht mehr, mein Leben könnte jemals wieder normal werden. Morgens aufstehen, zum Dienst fahren, einen Giftmord aufklären, die Täterin fassen, Geständnis unter Tränen, nach Hause fahren, ein paar Gläser Weinbrand trinken, schlafen gehen - dieses Leben war weit weg. Ich sehnte mich nach der Langeweile, die einem die Bürokratie bescherte, nach der Uneinsichtigkeit mancher Mitarbeiter, den Marotten der Vorgesetzten. Doch statt mich über den Behördenmief zu ärgern, würde ich einen gesuchten Straftäter nach Hamburg schleusen, damit er sich absetzen konnte in die Sowjetunion. Er konnte es fordern von mir, er hatte mit mir im Schützengraben gesessen, wir hatten einander unser Leben anvertraut. Ich überlegte, wann diese Pflicht erlosch, und fand keine Antwort. Vielleicht bildete ich mir die Pflicht nur ein. Wie sahen es andere? Ich hatte noch mit niemandem darüber gesprochen. Wie würde Berg handeln? Hätte er mir etwas getan in Bitterfeld?
    »Was würdest du tun, Berg, wenn du in meiner Lage wärst und ich in deiner?«
    Er schaute mich erstaunt an. »Woher soll ich das wissen? Ich bin nicht in deiner Lage.«
    »Dann stell dir vor, ihr hättet die Macht, ich müsste fliehen.«
    Er überlegte, dann winkte er ab. »Das ist Spinnerei. Mir reicht die Wirklichkeit, die ich sehe. Ist verwickelt genug. Lass uns ein paar Stunden schlafen, dann müssen wir los.«
    Ich schlief schlecht, bekam kaum Luft und hustete trotz der Tropfen. Ich musste mir neue besorgen, die Flasche war fast leer.
    Als ich aufwachte, war ich wie zerschlagen. Während Berg einen beachtlichen Teil meiner Vorräte vertilgte, begnügte ich mich mit Pfefferminztee und einem Marmeladenbrot. Ich rief bei der Pforte des Präsidiums an und meldete mich krank. Frau Wuttke war noch nicht im Dienst. Ich bat darum, Wohlfeld auszurichten, dass ich nicht gestört werden wollte. Dann fuhren wir los.
    Es wollte nicht hell werden. Feine Schneeflocken vermischten sich mit Regentropfen. Wir verließen Berlin über Spandau und erreichten ungehindert Kyritz. Gerade als ich das Ortsschild Viesecke las, sagte Berg: »Scheiße!« Sie hatten die Straßensperre mit weißroten Brettern markiert. Es war zu spät, umzudrehen, sie hätten es gemerkt und uns verfolgt. Es waren Schupos und

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