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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Kommissar nicht zu sehr aufregen.«
    »Lassen Sie uns in Ruhe!« schnauzte ich sie an und bereute es gleich. Sie schaute mich mit glasigen Augen an, drehte sich abrupt weg und ging »Dann können wir uns ja auf unsere Fälle konzentrieren«, sagte ich.
    »Oder hat jemand erklärt, es handle sich nicht mehr um Mordfälle?«
    »Bisher nicht, Herr Kommissar«, sagte Wohlfeld gelassen.
    Wer ihn nicht kannte, hätte die Ironie nicht gehört.
    »Dann ist ja alles in Ordnung«, sagte ich. »Haben Sie den Motorboot-Klub versiegelt?«
    »Ja, aber der Präsident hat befohlen, ihn wieder freizugeben. Man hörte raunen, viele Prominente aus dem nationalen Lager seien Mitglieder oder Förderer.«
    »Die Dinge ändern sich.«
    Wohlfeld nickte.
    »Ob wir unsere Arbeit noch machen können?«
    »Es wird sich normalisieren«, sagte Wohlfeld.
    »Da gibt es einige, die trauern Hitler und Kameraden nicht so furchtbar nach.«
    »Das nehme ich auch an. In den Zeitungen ist kaum noch die Rede davon. Die Regierung sagt nichts dazu, jedenfalls habe ich nichts gehört.«
    »Man wird sie womöglich zu Bürgerkriegstoten erklären.«
    »Und die Fälle stillschweigend begraben«, ergänzte Wohlfeld. »Aber das gibt uns Hinweise, Herr Kommissar.«
    »Gewiss, fragt sich nur, auf was.«
    »Auf die Täter«, sagte Wohlfeld, erstaunt über meine Begriffsstutzigkeit.
    »Eben nicht oder nicht nur. Ich kann mir einige Motive vorstellen, die Morde unter den Teppich zu kehren. Das wichtigste wäre vielleicht, dass ihre Aufklärung neue Unruhe schaffen könnte. Vielleicht ist ein Mitglied der neuen Regierung verstrickt, das wäre fatal für das Ansehen dieser Leute, die doch sauber und ehrlich sein wollen und aufräumen mit den Asozialen. Außerdem sind ein paar Leute aus dem nationalen Lager heilfroh, dass sie Hitler losgeworden sind - nehme ich zumindest an. Denn Hitler hätte seinen Führungsanspruch ja nicht aufgegeben. Und klar ist doch auch, dass ohne den Hitler-Mord der Bürgerkrieg kaum ausgebrochen wäre. Und ohne Bürgerkrieg wäre die Kommune nicht zerschlagen worden, säße die heutige Regierung nicht in der Wilhelmstraße. Verstehen Sie, Wohlfeld, die Leute, die den Hitler-Mord zu den Akten legen wollen, müssen keineswegs die Mörder sein. Es sind Leute, denen dieser Mord nutzt.«
    »Es wird also kompliziert.«
    »Es ist kompliziert, Wohlfeld. Und dann noch die anderen Morde. Wie sind die einzusortieren? Strassers Tod könnte die Hitler-Gläubigen begeistern. Goebbels’ Tod seine Feinde beim ehemaligen Strasser-Flügel. Röhms Tod die Feinde der SA bei den Nazis oder in der Reichswehr. Es könnte aber auch andersherum sein.«
    Wohlfeld schwieg eine Weile. Dann sagte er: »Ich hoffe, Sie sind bald wieder gesund, Herr Kommissar.«
    »Das hoffe ich auch. Lassen Sie mich jetzt schlafen.«
    Wohlfeld ging, die Kopfschmerzen kehrten zurück. Das Gespräch hatte mich angestrengt, ich merkte es erst jetzt. Die Dinge verschwammen vor meinen Augen. Kurz bevor der Schlaf mich ergriff, hörte ich die Tür. Die Schwester erschien. Sie schien geweint zu haben. Ich winkte sie zu mir. Sie zögerte, dann kam sie. Ich klopfe mit der flachen Hand auf die Decke an der Seite. Sie setzte sich. Ich nahm ihre Hand, sie ließ es geschehen. Dann schlief ich ein.
    Als ich erwachte, war es dunkel. Die Schwester saß auf der Bettkante und hielt meine Hand. Als ich die Augen öffnete, strich sie mir über die Stirn. »Sie haben nicht lange geschlafen«, sagte sie. Ich schlief wieder ein. Im Traum erschien Sofia, sie trug eine Schwesternkleidung. Sie lachte über etwas, dann weinte sie und schrie.
    Am Morgen lag ich wach und schaute aus dem Fenster. Ich empfand es als Vorzug, die Wirklichkeit nur verschwommen wahrzunehmen. In mir keimte eine Ahnung. Ich zweifelte, ob ich meinen Beruf weiter ausüben könnte. Und wenn doch, wie würde ich mich zurechtfinden in den neuen Verhältnissen?
    *
    Am Tag meiner Entlassung, es war der 14. Dezember, erschien Wohlfeld, um mir zu helfen. Drei Wochen Krankenhaus hatten mich geschwächt. Die Kopfschmerzen wurden seltener, aber sie verschwanden nicht. Wenn ich mir über die Kopfhaut fuhr, spürte ich die Narbe der Naht. Wohlfeld fuhr mich mit meinem Gepäck nach Hause und brachte mich in meine Wohnung. Vor der Tür lag ein Zettel Post ist bei mir. Glubkow.
    Als Wohlfeld gegangen war, stieg ich die Treppe hinab und klingelte beim Hausmeister. Es dauerte, bis er öffnete, er hatte verschmierte Hände. Er brummte einen Gruß und ging zurück

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