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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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geschleust. Du hast einen Oberreichsanwalt überfallen, gefesselt und genötigt. Jede einzelne Tat reicht für eine Gefängnisstrafe. Wenn der Oberreichsanwalt oder seine Sekretärin dich irgendwann einmal sehen, bist du dran. An diesem Morgen beschloss ich, mir bei nächster Gelegenheit einen Bart wachsen zu lassen.
    Dann dachte ich wieder ans Abhauen nach Straßburg zu Sofia. Koffer packen und weg. Es war wie ein Sog. Ich müsste alles aufgeben und dürfte kaum zurück. Ein Leben in Frankreich konnte ich mir aber genausowenig vorstellen wie davonzulaufen vor dem größten Fall meines Lebens. Ich hatte mich festgebissen wie ein Terrier, und ich konnte nicht loslassen, bevor die Wahrheit gefunden war. Danach konnte ich überlegen, ob ich den Dienst quittierte.
    »Gibt’s was Neues?« fragte ich Wohlfeld, als ich in meinem Dienstzimmer im Präsidium saß. Natürlich gab es nichts Neues. Wohlfeld schüttelte den Kopf.
    Er saß mir gegenüber und schwieg. Wir hatten nie über etwas anderes gesprochen als unsere Arbeit. Ich wusste wenig von Wohlfeld. Er war verheiratet, hatte ein Kind, das hatte ich erfahren. Ich hätte ihn gern gefragt.
    Frau Wuttke streckte ihren Kopf ins Zimmer. »Der Präsident will Sie sprechen, sofort, sagt er.« Sie schaute mich an, als wollte sie sich entschuldigen.
    Melcher bot mir keinen Platz an, also war er schlecht gelaunt. »Hat Ihnen der Kriminalassistent Wohlfeld nicht gesagt, dass
    ich von einer Ermittlung gegen den Motorboot-Klub nichts halte.«
    »Doch, Herr Präsident, er hat es mir berichtet.«
    »Das hat Sie nicht daran gehindert, Herrn Dr. Olendorff aufzusuchen.«
    »Sie sind mein Dienstvorgesetzter, aber ich leite die Ermittlung«, sagte ich. »Solange ich glaube, dass es sinnvoll ist, mit Dr. Olendorff zu sprechen, muss ich es tun. Sonst würde ich womöglich eine Straftat verschleiern.«
    »Wie bitte?«
    »Sonst würde ich vielleicht eine Straftat verschleiern. Wenn ich einer vielversprechenden Spur nicht folge ...«
    »Wer sagt Ihnen, sie sei vielversprechend?«
    »Ich wurde im Klub niedergeschlagen, das Mitgliederverzeichnis hat sich in Luft aufgelöst, Röhms Leiche kann im Klubgelände ins Wasser geworfen worden sein. Ich finde, das sind genug Gründe, Herrn Dr. Olendorff zu befragen.«
    »Niedergeschlagen hat sie ein Herr York, nicht Herr Dr. Olendorff.«
    Ich erwiderte nichts darauf.
    »Haben Sie denn diesen York gefunden, Herr Kommissar?«
    »Nein, Herr Präsident.«
    »Dann will ich Sie mal aufklären. Nehmen Sie Platz.« Er wies auf den Stuhl vor sich.
    Ich setzte mich.
    »Dieser Herr heißt nicht York, sondern Alexander. Er war ein halbes Jahr so eine Art Verwalter im Klub. Er wurde eingestellt auf Empfehlung eines Herrn Kubitz. Dieser Kubitz ist flüchtig, wahrscheinlich hat er sich nach Russland abgesetzt. Kubitz und Alexander hatten die Aufgabe, sich an Persönlichkeiten im Klub heranzumachen. GPU, haben Sie das schon mal gehört?«
    Ich muss begriffsstutzig geguckt haben.
    »Dieser Klub hat nicht einmal vierzig Mitglieder, einige stammen aus höchsten Kreisen. Ein Staatssekretär aus dem Außenministerium, einige Industrielle, Offiziere aus dem Truppenamt. Kein Wunder, dass Spione des russischen Geheimdienstes versuchen sich einzuschleichen. Verstehen Sie das?« Es war eine Beschwörung.
    Ich erforschte seine Mimik und fragte mich, woher er das alles wusste.
    »Es gibt in Deutschland mehr russische Spione, als Sie sich vorstellen können. Kennen Sie die Arbeiterkorrespondentenbewegung der Kommune? Da werden deutsche Arbeiter aufgefordert, ihre Betriebe auszuspionieren, damit Russland sich Forschungskosten spart. Die Westmächte haben uns mit Reparationen ausgeplündert, die Russen stehlen unser geistiges Eigentum, unser wichtigstes Kapital. Das bedroht unsere Weltgeltung. Die russischen Kommunisten und ihre Internationale haben sich Deutschland ausgesucht als Beute. Erst lassen sie uns ausbluten, dann folgt der Umsturz.«
    »Ich habe Kippenberger gefragt, ob der M-Apparat etwas zu tun hat mit den Morden.«
    »Sie haben Kippenberger gefragt, und der hat Ihnen die Wahrheit gesagt, nichts als die Wahrheit! Herr Kommissar, Sie sind ein ausgezeichneter Kriminalist, aber von Politik verstehen Sie nichts. Das erste, was die Kippenbergers lernen, ist das Lügen. Sie lügen so gut, dass sie selbst an ihre Lügen glauben. Das muss man ja können, wenn es alle paar Wochen eine neue Parteilinie gibt, man sich aber nie geirrt haben darf. Kippenberger ist ein netter Mann, aber

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